Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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1. Branntweinsteuer. Bei Beratung des Gesetzentwurfs wegen Be— 
steuerung des Branntweins in dem zum Norddeutschen Bunde gehörigen Teile 
Hessens hatte der Reichstag auf Antrag des Abgeordneten Dr. Friedenthal 
beschlossen, den Bundeskanzler zu ersuchen, die Frage über die Einführbarkeit 
sowie die wirtschaftlichen und finanziellen Vorzüge der Fabrikatsteuer vor der 
Maischsteuer in Erwägung zu ziehen und den legislativen Austrag dieser Frage 
durch alle geeigneten Mittel vorbereiten zu wollen. Infolge dessen beschloß der 
Bundesrat, die Staaten Preußen, Sachsen und Braunschweig um die Bezeich- 
nung von Kommissaren zu ersuchen, welche unter Zuziehung von Gewerbe- 
treibenden und Technikern die oben gestellte Frage zu prüfen und Vorschläge 
über den zu wählenden Steuermodus zu machen hätten. 
Im Februar 1869 legte Bismarck dem Bundesrat den Bericht der gedachten 
Kommission über das Ergebnis ihrer Beratungen vor.“) 
Diesem Berichte waren drei Anlagen beigefügt, nämlich der Entwurf eines 
Gesetzes, betreffend die Besteuerung des Branntweins in den zum Zollverein 
gehörigen Teilen des Norddeutschen Bundes, welcher von der Kommissson aus- 
gearbeitet war, der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erhebung der Brannt- 
weinfabrikatsteuer im Norddeutschen Bunde, welcher von dem Königl. sächsischen 
Kommissar zur Annahme empfohlen war, und die zu dem letzteren Entwurf 
gehörigen Motive. 
Die Majorität des Bundesratsausschusses entschied sich für das fakultative 
System") und nahm an dem Gesetzentwurf nur wenige redaktionelle Aenderungen 
*) Das Nähere über den Inhalt dieses Kommissionsberichts findet man in der „National- 
Zeitung“ Nr. 83 vom 19. Februar 1869. 
*“) Dies System — so argumentirte der Ausschuß — sei zwar nicht so klar und einfach 
als der Uebergang zur obligatorischen Fabrikatsteuer, aber es vermeide die Nachteile, welche 
mit einem mißlungenen Versuche verbunden seien. Die Erhöhung der Steuer um 33½ % 
sei unbedenklich, eine Verteuerung des Branntweins kein Uebel, die Erhöhung werde die 
Interessen der Landwirtschaft nicht beeinträchtigen. Ueberdies werde die Steuer für die 
inländische Konsumtion sehr leicht abgewälzt, während das Absatzgebiet durch Eingangszoll 
und Uebergangsabgabe geschützt, der Absatz nach außen und die Konkurrenzfähigkeit auf 
fremden Märkten auch durch die Ausfuhrvergütung geschützt sei. Eine vorgeschlagene 
Branntweinverbrauchssteuer würde mit dem im Norddeutschen Bunde durchgeführten Prin- 
zipe des völlig freien Verkehrs in offenen Gegensatz treten und große Verwaltungskosten 
erheischen. Die Annahme, daß die Steuer den Produzenten zur Last fallen und nicht auf 
die Konsumenten abgewälzt werden könne, sei irrig. Ersterer schieße, wie der Bäcker, der 
Schlächter, der Rübenzuckerfabrikant, die Steuer nur vor, und längst müßten alle Brennereien 
geschlossen sein, wenn dies nicht der Fall wäre, denn auf die Dauer sei keine Produktion 
möglich, bei der nicht sämtliche Produktionskosten nebst einem verhältnismäßigen Gewinn 
im Preise erstattet würden. Die Produktion im Gebiete des Norddeutschen Bundes über- 
schreite den Verbrauch um den sechsten Teil, der Handel mit dem Auslande sei durch die 
Steuer wegen deren Rückvergütung nicht gehindert. Gestatteten die Konjunkturen des 
Weltmarktes die Ausfuhr des Spiritus nicht, bleibe also über Bedarf davon im Lande, so
	        
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