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Entwurfe einverstanden. Sie hielten das bisher bestandene Portofreiheitswesen
für eine veraltete, für die jetzigen Verhältnisse nicht mehr passende Einrichtung.
Dieses Portofreiheitswesen sei mit der Umwandlung der territorialen Post-
gebiete in eine einheitliche Bundesverkehrsanstalt schlechthin unverträglich, und
es sei gut, gründliche Abhilfe zu schaffen, wobei der Zuwachs an Arbeit nicht
in Betracht kommen könne, und ebenso wenig die für die Behörden entstehende
Belästigung, welche nicht hoch anzuschlagen sei angesichts der im § 9 zugelassenen
Aversionirung des Portos, der Contoführung, der Anfertigung besonderer Be-
hördenfreimarken. Auch die Befürchtungen in Betreff der Privatvereine könne
man nicht teilen; die Vereine würden sich sehr bald daran gewöhnen und keinen
Nachteil davon empfinden, wie die in England gemachte Erfahrung zeige. Die
der Postverwaltung erwachsende Mehreinnahme werde es ihr erlauben, sich in
eintreten, zumal wenn alle über 15 Lot wiegenden Aktensendungen als Fahrpostsendungen
zu behandeln wären; ebenso entstehe für die Behörden eine unerwünschte Belästigung, eine
zeitraubende und kostspielige Erschwerung des Geschäftsganges, eine beträchtliche Vermehrung
der Kassenbestände. Den Korporationen, den Stiftungen sei bisher Portofreiheit gewährt
worden weil die Thätigkeit dieser Anstalten die Zwecke des Staates oder sonstige gemein-
nützige Zwecke fördere. Die Entziehung der Portofreiheit liege also nicht im öffentlichen
Interesse, werde auch vielfach Mißstimmung in den beteiligten Kreisen hervorrufen, man
werde eine Härte darin suchen, daß, nachdem für die Privatkorrespondenz zur Erleichterung
des Geschäftsverkehrs das Porto ermäßigt worden ist, nun zur Deckung des Ausfalls, die
Korrespondenz im öffentlichen Interesse und für wohlthätige Zwecke besteuert werden solle.
Die Postverwaltung werde durch die Entschädigungsansprüche in eine Reihe unangenehmer
und schwieriger Rechtsstreitigkeiten verwickelt werden. Und allen diesen Nachteilen stehe
kein Vorteil, keine nennenswerte Einnahme gegenüber. Es laufe alles zuletzt gewisser-
maßen auf einen Matrikularbeitrag hinaus, der nicht nach dem Verhältnis der Bevölkerung
sondern nach dem Verhältnis der bisher portofreien, in Zukunft aber portopflichtigen dienst-
lichen Korrespondenz erhoben werde. Für Preußen werde sich diese Mehrausgabe auf über
1 Million Thaler belaufen. Hierzu komme noch die Schwierigkeit, daß bis Ende 1875
die Postüberschüsse nicht ungeteilt zur Bundeskasse fließen, sondern nach gewissen Prozenten
an die einzelnen Bundesstaaten herausbezahlt, respektive denselben auf ihre Matrikular=
beiträge angerechnet werden. Auch das in den Motiven zum Entwurfe vorgeschlagene Aus-
kunftsmittel einer Abänderung der Prozenttabelle erreiche den Zweck einer richtigen Aus-
gleichung nicht, denn es lasse sich nicht erwarten, daß die Postüberschüsse infolge der
nachmaligen Steigerung des Verkehrs die Höhe wieder erreichen würden, welche sie von
1861—65 gehabt haben. Die Wirkung der Aenderung würde sein, daß diejenigen
Bundesstaaten, die 1861 keine oder geringe Postüberschüsse hatten, den anderen Staaten
eine Entschädigung dafür leisten müßten, daß infolge der eingetretenen Portoermäßigung
die nach Artikel 52 der Bundesverfassung zu verteilenden Postüberschüsse hinter dem Be-
trage der 1861/65 erzielten Postüberschüsse zurückbleiben. Zu solcher Entschädigung liege
aber gewiß kein rechtlicher Grund vor. Endlich aber beruhten auch die Portofreiheiten in
Staatsdienstsachen auf vertragsmäßiger Grundlage und können nicht ohne weiteres beseitigt
werden, zum Beispiel in Hessen. Der hessische Bevollmächtigte beantragte in erster Linie
die Ablehnung des Entwurfs, eventuell die Aufnahme einer Bestimmung, wonach die
etwaige Mehreinnahme als ein der Prozentualverteilung nicht unterliegender Betrag un-
geteilt zur Bundeskasse fließe.