Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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Receivers of wreck in Großbritannien, Feststellung der 
Thatsachen bei der Strandung deutscher Schiffe. Bisher bestand 
in England auf Grund der merchant shipping act vom Jahre 1854 die 
Einrichtung, daß wenn ein Schiff in der Nähe der britischen Küste verunglückte, 
ein Beamter, der receiver of wreck, die Verhältnisse des Schiffes und die 
Umstände, unter welchen das Unglück stattgefunden, prüfte und darüber ein 
Protokoll aufnahm. Für nicht englische Schiffe galt dies aber nur, wenn die 
Strandung innerhalb dreier Seemeilen von der Küste geschah. Die englische 
Regierung hatte durch ihren Berliner Botschafter dem Bundeskanzler den Wunsch 
ausgesprochen, daß in Zukunft diese Befugnis des englischen Beamten ausgedehnt 
werde auch auf die Schiffe, welche in weiterer Entfernung von der Küste stranden, 
da es doch unter allen Umständen notwendig sei, daß solche Erhebungen mög— 
lichst schnell nach dem Unglück eintreten. In gleicher Weise hatte die englische 
Regierung auch den anderen Regierungen diesen Wunsch ausgesprochen. Der 
Bundeskanzler teilte im großen und ganzen die dargelegte Ansicht, erkannte die 
Gründe für die Ausdehnung der Befugnis an und hatte deshalb den Bundes- 
seestaaten (Mecklenburg, Oldenburg, Hamburg, Lübeck und Bremen) Mitteilung 
davon gemacht mit dem Bemerken, daß eine solche erweiterte Feststellung aller- 
dings wünschenswert sei, daß aber vorauszusetzen wäre, die britische Regierung 
beabsichtige nicht, einen Staatsvertrag, der eine Kompetenzerweiterung ihrer Be- 
amten feststellt, mit dem Norddeutschen Bunde zu schließen, sondern, daß es 
ihr nur darauf ankomme, sich gegen etwaige Reklamationen sicher zu stellen. 
Mecklenburg, Oldenburg, Hamburg und Lübeck äußerten sich zu- 
stimmend; Bremen aber riet ab, einmal, weil Fälle denkbar wären, wo ein 
solches Eingreifen der fremden Behörden den Interessen der deutschen Schiffer 
und Rheder nicht entsprechen würde, und dann weil es zweifelhaft sei, ob auf 
dem Wege der Gesetzgebung eine ganze Bevölkerungsklasse für gewisse Fälle der 
Autorität eines fremden Staates unterworfen werden könne. Bremen schlug 
deshalb vor, daß die Sache im Bundesrat zur Beratung komme. Dem ent- 
sprechend legte der Bundeskanzler (J. V. Delbrück) am 17. Juni 1869 
dieser hohen Körperschaft den Vorschlag der britischen Regierung zur Beschluß- 
nahme vor. 
In der Sitzung vom 3. Juli 1869 ermächtigte der Bundesrat das Präsi- 
dium, der großbritannischen Regierung gegenüber das gewünschte Einver- 
ständnis damit auszusprechen, daß die auf Grund der merchant shipping 
act fungirenden receivers of wreck oder Friedensrichter befugt seien, die 
eidlichen Vernehmungen zur Feststellung der Ursachen von Strandungen 
und sonstigen Seeunfällen auch bezüglich derjenigen deutschen Schiffe zu bewirken, 
welche außerhalb des dreimeiligen Küstenrayons in den die britischen Inseln 
umgebenden Meeren verunglücken, dabei aber die Voraussetzung auszusprechen, 
daß solches nur insoweit zu geschehen habe, als die fraglichen Schiffe oder Per-
	        
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