Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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lebhaft bekämpften, schließlich auch im Bundesrat unterlegenen Antrag wegen 
Herauszahlung der Rübensteuer an die Bundeskasse. 
Von Anregungen des Reichstags fielen im Schoße des Bundesrats auf 
fruchtbaren Boden die Anträge, betreffend die Aufhebung der Flußzölle auf der 
Saale und Werra, die Beseitigung der Doppelbesteuerung, die Regelung der 
Pensionsverhältnisse der Invaliden der Unterklassen der vormaligen schleswig- 
holsteinschen Armee und die Gleichberechtigung der Konfessionen. Der zum 
Mitgliede des Bundes-Oberhandelsgerichtshofs in Vorschlag gebrachte Professor 
Dr. jur. Goldschmidt in Heidelberg war Jude, und es sollte somit durch 
seine Ernennung das Bundesgesetz vom 3. Juli 1869 zuerst praktisch zur Gel- 
tung kommen. 
Durch seinen Beschluß, betreffend eine gesetzliche Regelung der Ausgabe 
von Staatskassenscheinen der norddeutschen Bundesstaaten, regte der Reichstag 
indirekt eine Regelung des gesamten Münzwesens durch den Bundesrat an, 
Außerdem gab der Reichstag im Bundesrat den Anstoß zu den Gesetzentwürfen 
über die Beschränkung des Eigentums durch die Bestimmungen wegen der 
Festungsrayons (Bundesratsvorlage von 1870) und über den Erwerb und 
Verlust der Bundes= und Staatsangehörigkeit. 
Ablehnend verhielt sich der Bundesrat gegenüber den Beschlüssen des 
Reichstags in Bezug auf die Verfassungsverhältnisse in Mecklenburg, über die 
Nichtverfolgbarkeit der Mitglieder der Landtage und Kammern (Antrag Lasker) 
und den Beschluß, betreffend die Schaffung von Bundesministerien (Antrag 
Twesten-Münster). Der Reichstag beantwortete das mangelnde Entgegenkommen 
des Bundesrats beziehungsweise Bismarcks in dieser Frage mit einer Ablehnung 
des ihm vorgelegten Steuerbouquets. Es fehlte damals nicht an Stimmen, 
welche dem Bundesrat lebhaft ins Gewissen redeten. „Das norddeutsche Parla- 
ment in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung,“ so ungefähr war der Ge- 
dankengang der liberalen Mehrheitspolitiker, „greift mit seinen Ansprüchen nicht 
weit; es hält sich so bescheiden, daß man im Lande die Zustimmung des 
Bundesrats zu dem Antrage Twesten-Münster als das Minimum bezeichnen 
wird, ohne dessen Erfüllung Steuern und Anleihen nicht bewilligt werden 
können. Will, wie es den Anschein hat, die Bundesgewalt beides durchsetzen, 
ohne sich ihrerseits zu irgend etwas zu verpflichten, so riskirt sie, ihren Willen 
nicht durchgesetzt zu sehen. Es trifft durchaus zu, daß der Bundeskanzler in 
Finanz= und anderen wichtigen konstitutionellen Fragen nicht mehr die Majorität 
des Reichstags auf seiner Seite hat. Das Maß der Forderungen des Reichstags 
hat sich nicht erweitert, nur die Bereitwilligkeit des Bundesrats, sich 
mit dem Parlament zu verständigen, ist geringer geworden. So 
stehen wir vor einem Mißverhältnis, das, wenn es nicht früh genug gehoben 
wird, mit der Zeit zu einem Konflikt sich erweitert.“ Die folgende Session 
des Bundesrats (1870) beweist, daß hier mit zu schwarzen Farben gemalt wurde.
	        
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