Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

Im Laufe der Session nahm Bismarck zweimal im Reichstag Anlaß, sich 
über seine Stellung zum Bundesrat auszusprechen. Zuerst, als es sich um die 
Frage handelte, in welchen Fällen der Kanzler wohl mittelst der preußischen 
Stimme einen Druck auf den Bundesrat ausüben dürfe. „Ich halte mich,“ 
bemerkt Bismarck in der Sitzung des Reichstags vom 16. März 1869, „nur dann 
berechtigt, im Bundesrate das volle Gewicht der preußischen Stimme mit denjenigen, 
die wir damit vereinigen können, in die Wagschale zu werfen und mich an die 
Bedeutung, an die Zahl der dissentirenden Regierungen nicht zu kehren, wo es 
sich um große nationale Interessen handelt. Wenn wir die Bundespolitik so 
auffassen, daß wir im Bundesrat eben einfach abstimmen, zusammenzählen und, 
wo zweiundzwanzig Stimmen sind, sagen: Der hat recht, wo nur einundzwanzig 
sind, der hat unrecht (und versuchen, für Preußen zu seinen siebenzehn Stimmen 
die nötigen dazu zu gewinnen), dann wäre das Geschäft für mich sehr ver- 
einfacht und viel angenehmer. Aber so behandeln wir die Sachen nicht. Jede 
Regierung hat das Gefühl, daß die Möglichkeit der Abstimmung im Hinter- 
grunde steht, und richtet das Maß ihres Widerstandes darnach ein. Nun liegt 
aber zwischen souveränen verbündeten Regierungen die Sache anders als zwischen 
einzelnen Mitgliedern eines Abgeordnetenhauses; man braucht die Waffe der 
Majorität mit mehr Schonung, und ich glaube, man thut im Interesse der 
Bundespolitik wohl daran. Wir suchen die Regierungen, die mit uns nicht 
gleicher Meinung sind, zunächst zu überzeugen und suchen ihre Uebereinstimmung 
zu gewinnen; namentlich wenn gewichtige Stimmen widersprechen, verhandeln 
wir mit ihnen, machen Kompromisse und Konzessionen, so lange wir glauben, 
sie machen zu können; erst wenn wir glauben, das nicht mehr zu können, 
sagen wir, dann muß die Sache zur Abstimmung kommen, und es kommt 
unter Umständen auch vor, daß recht starke Minoritäten überstimmt werden, 
und daß Preußen vollen Gebrauch von den siebenzehn Stimmen, die ihm unter 
den dreiundvierzig zu Gebote stehen, macht, ohne sich an die entgegenstehenden 
Ansichten, die zu überzeugen nicht möglich war, zu kehren." 
Staatsrechtlich interessant waren auch Bismarcks Ausführungen in der 
Reichstagssitzung vom 16. April 1869 über die Unannehmbarkeit des Antrages 
auf Schaffung von Bundesministerien. Die Stelle derselben vertreten nach 
Bismarcks Ansicht die Ausschüsse des Bundesrats — also nicht der Reichs- 
kanzler. „Unser Finanzminister ist der Finanzausschuß des Bundesrats; nach 
Anleitung dieses Ausschusses übt der Bundesrat die Kontrolle über die finanzielle 
Gebarung und übt sie, wie ich glaube, mit voller Sicherheit. In gleicher 
Weise wird die kriegsministerielle Thätigkeit durch den Militärausschuß des 
Bundesrats geübt, an dessen Spitze sich der preußische Kriegsminister befindet, 
und der seine bundeskriegsministeriellen Verfügungen, abgesehen von den preußi- 
schen, nicht in der Eigenschaft des Kriegsministers, sondern in der Eigenschaft 
des Vorsitzenden dieses Ausschusses zeichnet und an die Bundesgenossen abgehen
	        
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