Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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lichen Auffassung der Anspruch auf Vertretung der Landwirtschaft im Bundes- 
rat und namentlich in dem des Zollvereins ein begründeter ist. 
Ich erlaube mir, hinzuzufügen, daß ich meine Bemühungen, diesem An- 
spruche die amtliche Anerkennung und Erfüllung zu gewinnen, bereits begonnen 
habe, und bitte Sie, dem landwirtschaftlichen Kongresse hiervon Mitteilung zu 
machen. 
Mit ausgezeichneter Hochachtung bin ich Ew. Hochwohlgeboren ergebenster 
v. Bismarck. 
Dem Verlangen des landwirtschaftlichen Kongresses wurde sehr rasch Folge 
gegeben. Schon in der Sitzung des Bundesrats vom 5. März machte Graf 
Bismarck die Mitteilung, daß der Vorsitzende des Landesökonomie-Kollegiums, 
Geheimer Regierungsrat Dr. v. Nathusius, zum preußischen Bevollmächtigten 
für den Bundesrat ernannt worden sei. Da für sämtliche 17 Stimmen 
Preußens im Bundesrat Vertreter bestellt waren, so hatte durch die Abberufung 
des Geheimen Ober-Finanzrats Wollny ein Platz für diese landwirtschaftliche 
Vertretung geöffnet werden müssen. 
Ueber die Persönlichkeit der neuen Mitglieder des Bundesrats und ihr 
Verhältnis zu Bismarck ist Nachstehendes zu bemerken: 
1. Preußen. 
Justizminister Dr. Leonhardt') 
(geboren 6. Juni 1815, gestorben 7. Mai 1880). 
Mit der Wahl Leonhardts an Lippes Stelle konnte Bismarck wohl zu- 
frieden sein; er schuf ihm die deutsche Justizeinheit, den „Eckstein der nationalen 
Einheit“". Den Details der Leonhardtschen Justizreform gegenüber hat sich 
Bismarck ähnlich verhalten wie den wirtschaftlichen Angelegenheiten gegenüber 
zu Delbrücks Zeiten, das heißt, er kümmerte sich nicht um die Einzelheiten und 
glaubte seiner Verantwortung vollkommen zu entsprechen, wenn er dafür ge- 
sorgt hatte, daß ein tüchtiger Fachminister vorhanden war. Nur in den 
Differenzpunkten, die seinerzeit den Kampf zwischen Parlament und Bundesrat 
entflammten und die wichtigen Prinzipien der Strafprozeßordnung betrafen, 
wurde auch Bismarck zu einer Stellungnahme gedrängt.“*“) Er hielt an den 
Forderungen des Bundesrats auf die Gefahr hin fest, das nationale Werk, 
das ihm am meisten am Herzen lag, scheitern zu sehen. Das übrige hatte er 
passiren lassen und am wenigsten die Zivilprozeßordnung sich vorher darauf 
*) Das Nähere über seinen Entwicklungsgang findet man in der „Allgemeinen Bio- 
graphie“ Bd. XVIII S. 301, Nekrolog in „Unsere Zeit“ Leipzig 1880 Bd. II S. 137, 
Nachruf im Justizministerialblatt für die preußische Gesetzgebung und Rechtspflege Nr. 22 
vom 28. Mai 1880, „Unsere Minister seit 1862“ S. 71—79. 
**) Vgl. mein Werk: „Fürst Bismarck und die Parlamentarier“, Bd. II S. 209 f.
	        
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