Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

II. Abschnitt. 
Die Arbeiten des Bundesrats des Norddeutschen Bundes 
in seiner letzten Session. 
1. Wundesgesetzgebung (Artikel 2—5 der Verfassung). 
Unterstützungswohnsitz. Als Bismarck Ende 1869 dem Bundes- 
rat den umgearbeiteten Entwurf des Gesetzes vorlegte,) fand sich der Bundes- 
kanzler zu dem in der Geschichte der Bundesgesetzgebung bisher unerhörten Vor- 
behalte veranlaßt, daß das Präsidium den Gesetzentwurf gleichsam auf die 
Instruktion des Bundesrats hin vorlege, seine Abstimmung über denselben im 
Plenum aber sich vorbehalte, da das Gesetz dem Bedürfnisse nicht völlig entspreche, 
die sehr verschiedenartigen Bestimmungen der Territorialgesetze über Erwerb und 
Verlust des Heimatsrechts und der damit im innigsten Zusammenhange stehenden 
Verbindlichkeit zur Armenpflege endlich durch ein Bundesgesetz auszugleichen. 
Die Auffassungen der Majorität und Minorität des Ausschusses fanden auch in 
diesem Jahre keine Ausgleichung. Das Präsidium hatte den Versuch nicht er- 
neuert, die preußische Armengesetzgebung von 1843 auf die Bundesstaaten aus- 
zudehnen; es hatte sich den konsultatorischen Beschlüssen des Bundesrats vom 
23. April 1869 gefügt und einen im wesentlichen nach diesen Beschlüssen redi- 
girten Entwurf vorgelegt. Der Erwerb des Unterstützungswohnsitzes durch 
Zeitablauf sollte gestattet werden, aber nur von Staat zu Staat, so daß die 
Partikulargesetzgebungen den Angehörigen der einzelnen Bundesstaaten gegenüber 
in Kraft blieben. Von einem Eingriffe der Bundesgesetzgebung in die Partikular= 
gesetzgebung konnte demnach kaum die Rede sein; wenigstens trat die letztere nur 
den Angehörigen eines Bundesstaates gegenüber außer Kraft, wenn sie in dem 
andern ihren Aufenthalt nahmen. Aber die Mehrzahl der kleinen Staaten 
fuhr fort, die Armengesetzgebung und den Gothaer Vertrag als ein noli me 
tangere der Bundesgesetzgebung gegenüber zu betrachten. 
Nach der bisherigen Praxis des Bundesrats wurden Kompetenzbedenken 
einzelner Regierungen durch eine Abstimmung nach § 78 der Bundesverfassung 
erledigt, das heißt sobald die Majorität von ½/7 der Stimmen sich für die 
Kompetenz in specie für den in Diskussion stehenden Punkt aussprach, — wie 
*) Vgl. S. 212.
	        
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