— 294 —
zum Beispiel bei dem sächsischen Vorschlage wegen des Bundes-Oberhandels-
gerichts — so war die Anfechtung beseitigt. So stellte auch Mecklenburg, als
es in der Sitzung des Bundesrats vom 23. April 1869 zur Abstimmung über
den Ausschußbericht über die erste Vorlage kommen sollte, den Antrag, darüber
abzustimmen, ob nicht zur Annahme eines den Artikel 3 Alinea 3 und 4 ab-
ändernden Gesetzentwurfs nach Artikel 78 der Bundesverfassung eine Stimmen-
mehrheit von mindestens zwei Dritteln Stimmen im Bundesrat erforderlich sei.
Das Präsidium hatte damals mit Rücksicht auf die prinzipiellen Bedenken gegen
die Vorlage von der Abstimmung Abstand genommen; aber in den diesjährigen
Ausschußverhandlungen hatte der mecklenburgische Bevollmächtigte bereits die
Wiederholung seines Antrages in Aussicht gestellt. Das Resultat einer solchen
Abstimmung war kaum zweifelhaft; Sachsen, Mecklenburg, Hessen, Hamburg,
Bremen und eine Reihe der kleinen Staaten bestritten aus mannigfachen Gründen
die Kompetenz der Bundesgesetzgebung.)
Im Plenum des Bundesrats behielt zwar die preußische Auffassung gegen
die Ausschußanträge in manchen Stücken die Oberhand, dagegen wurde der
Grundsatz angenommen, daß die Unterstützung erst durch fünfjährige Orts-
angehörigkeit solle erworben werden können. Damit war der ganze Ent-
wurf in den Augen Preußens wieder wertlos gemacht und es bestand nur noch
*) Ueber die einzelnen Voten im Ausschuß ist zu bemerken: Der hessische Bevoll-
mächtigte erklärte, die Armenversorgung bilde an sich keinen Gegenstand der Bundesgesetz-
gebung; insoweit der vorliegende Entwurf die Armenversorgung im Verhältnisse von
Staat zu Staat, abweichend von dem Inhalte der Gothaer Konvention, regele, stehe eine
Abänderung der Bundesverfassung in Frage. — Der mecklenburgische Bevollmächtigte schloß
sich dieser Erklärung an und wiederholte, daß ein Gesetz, welches für das gesamte Gebiet
des Bundes gleichmäßige Normen über den Erwerb des Unterstützungswohnsitzes ausfstelle,
dem Bedürsfnisse entspreche. Der Entwurf enthalte Bestimmungen, welche mit dem wahren
Wohle der unterstützungsbedürftigen Bevölkerung sowie mit der Stellung der Staaten
und der Gemeinden zu dieser Aufgabe unvereinbar sei. — Der sächsische Bevollmächtigte
stellte zur Erwägung, ob nicht in Bezug auf das Bedürfnis, dessen Abhilfe der vorliegende
Entwurf bezwecke, durch das im Ausschusse bereits beratene und angenommene Gesetz über
den Erwerb der Bundes= und Staatsangehörigkeit die Lage der Sache eine andere ge-
worden sei: daß nämlich die Staatsangehörigkeit an sich die natürlichste Basis der Heimats-
berechtigung darstelle, sei im wesentlichen nicht bestritten worden; würde nun der Erwerb
der ersteren durch die Annahme des vorgedachten Gesetzes in einer Weise erleichtert, welche
für alle in einem andern Bundesstaate sich niederlassenden Bundesangehörigen kaum noch
irgendwie Schwierigkeiten biete, so erscheine es nur noch der Anerkennung des Satzes zu
bedürfen, daß mit Erlangung der Staatsangehörigkeit zugleich das Heimatsrecht erworben
werde, um den Erlaß eines besonderen Gesetzes über Erwerb des Unterstützungswohnsitzes
entbehrlich zu machen. Er stellte schließlich den Antrag, eine Bestimmung des Inhalts:
„Mit der Staatsangehörigkeit wird stets zugleich das Heimatsrecht erworben“, zum Gesetze
zu erheben, welche entweder dem Gesetze über Freizügigkeit vom 1. November 1867 § 11
angehängt oder auch in dem Gesetze über Erwerb der Bundes= und Staatsangehörigkeit
Platz finden könne.