Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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Der dem Bundeskanzler überreichte vollendete Entwurf bestand aus acht 
Büchern in 66 Titeln und 1174 Paragraphen. Vorausgeschickt waren „Vor- 
bemerkungen“, betreffend die Grundzüge der Gerichtsverfassung. Beigefügt war 
der Entwurf eines Einführungsgesetzes. Die Beratungen der Kommission über 
den Zivilprozeßordnungs = Entwurf nahmen 390 Sitzungen in der Zeit vom 
3. Januar 1868 bis 20. Juli 1870 in Anspruch. Die Protokolle wurden, 
5 Quadratbände von etwa 2700 Seiten umfassend, im Manuskript gedruckt 
und an die verbündeten Regierungen sowie an Behörden versandt.) 
Strafgesetzbuch. Bezüglich desselben lehnte der Justizausschuß alle 
von den verschiedenen Bundesregierungen gestellten Anträge ab, mit Ausnahme 
einer Modifikation der §§ 2 und 3 im Einführungsgesetze. Die wichtigste dieser 
Aenderungen war der von den Regierungen des Königreichs Sachsen und des 
Großherzogtums Oldenburg eingebrachte Antrag: aus dem Entwurfe durchgängig 
die Todesstrafe zu entfernen und an deren Stelle Zuchthausstrafe zu setzen, 
eventuell in das Gesetzbuch die Bestimmung aufzunehmen, daß im Königreich 
Sachsen und in Oldenburg anstatt der Todesstrafe Zuchthausstrafe verhängt 
werden könne. Der Ausschuß erklärte sich für die Beibehaltung der Todes- 
strafe und lehnte auch den letzteren Teil des Antrags ab. — Was die Ab- 
erkennung des Adels betrifft, so wollte der Entwurf dieselbe nur temporär, 
d. h. nur für so lange Zeit aussprechen, als das Gericht auf Verlust der bürger- 
lichen Ehrenrechte erkennt. Demgegenüber wurde einerseits vorgeschlagen, daß, 
wenn einmal auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, gleichviel auf wie lange, 
erkannt werde, dann der Verlust des Adels niemals bloß ein temporärer, sondern 
stets ein bleibender sein müsse. Von anderer Seite wollte man den Punkt wegen 
der Aberkennung des Adels überhaupt gänzlich aus dem Spiele lassen. Auch 
hier wurde der Entwurf beibehalten. 
Bei der entscheidenden Beratung im Bundesrat (11. Februar 1870) wurde 
die Beibehaltung der Todesstrafe gegen eine Minderheit von 14 Stimmen be- 
schlossen. Der Antrag Preußens, im § 30 hinter dem Worte „Ehrenzeichen"“ 
einzuschalten: (die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt den dauernden 
Verlust) „des Adels“, wurde gegen die 20 Stimmen Preußens und der beiden 
Mecklenburg abgelehnt. Infolge dessen wurde dann auch im § 31 die Streichung 
der ursprünglichen Nr. 4, „den Adel zu führen“, beschlossen. Bei der Beratung 
des Einführungstermins des Strafgesetzbuches und des Einführungsgesetzes wurde 
der königl. sächsische Antrag: das Strafgesetzbuch erst dann in Kraft treten zu 
*) Außer dem gedachten Entwurfe hatte sich die Kommission auf Veranlassung des 
Bundeskanzlers der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen, betreffend 1. die Aufhebung der 
Schuldhaft, 2. die Beschlagnahme von Arbeits= und Dienstlöhnen, 3. die Gewährung der 
Rechtshilfe, 4. die zu Gunsten der Militärpersonen eintretende Einstellung des Zivilprozeß- 
verfahrens, sowie der Begutachtung des Genossenschaftsgesetzentwurfs und einer damit in 
Verbindung stehenden Frage in zusammen 28 außerordentlichen Sitzungen unterzogen. 
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. I. 20
	        
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