Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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Bundesverfassung gefaßten Beschlüsse, nach welchem die Bundesgesetzgebung auf 
das gesamte bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren, 
einschließlich der Gerichtsorganisation sich erstrecken soll, zur Zeit keine Folge 
zu geben. Daß dieser Gegenstand während der bevorstehenden Reichstagssession 
wieder angeregt werden wird, ist mit Sicherheit zu erwarten. Tritt eine solche 
Anregung ein, so dürfte dem Reichstag von dem Beschlusse des Bundesrats 
Mitteilung zu machen und zugleich auf diejenigen gesetzgeberischen Arbeiten hin- 
zuweisen sein, welche zur Ausführung des Artikels IV. 13 teils bereits unter- 
nommen, teils für die nächste Zeit projektirt sind. Als Arbeiten der ersteren 
Kategorie sind schon jetzt zu bezeichnen die in Gemäßheit der Beschlüsse des 
Bundesrats vom 2. Oktober 1867 und vom 5. Juni 1868 in Angriff ge- 
nommenen Entwürfe zum Strafgesetzbuch, zur Zivilprozeßordnung und zur Straf- 
prozeßordnung für den Norddeutschen Bund. Der erste dieser Entwürfe ist 
inzwischen vollendet, der zweite seiner Vollendung nahe. Als Connex mit diesen 
gesetzgeberischen Arbeiten ist die Einführung einer gemeinsamen Gerichtsorgani- 
sation und einer gemeinsamen Konkursordnung in Anregung gebracht worden. 
Was erstere anbelangt, so ist die zur Ausarbeitung des Entwurfs einer Zivil- 
prozeßordnung berufene Kommission bei ihren Arbeiten von der Voraussetzung 
ausgegangen, daß die Einführung des von ihr aufgestellten Entwurfs die Ge- 
richtsverfassung innerhalb bestimmter Grenzen nach den von ihr näher bezeich- 
neten Grundsätzen auch endlich geregelt werde. Die Einführung einer gemein- 
schaftlichen Konkursordnung wurde in der ersten Session des Reichstags von 
dem damaligen Abgeordneten für den 8. Wahlkreis des Königreichs Sachsen, 
Rechtsanwalt Schreck zu Pirna, zum Gegenstand einer Interpellation gemacht. 
Die Frage, ob es in der Absicht des Bundesrats liege, von der zur Ent- 
werfung einer Zivilprozeßordnung niedergesetzten Kommission auch eine Konkurs- 
ordnung entwerfen zu lassen, mußte schon deshalb verneint werden, weil die 
vom Bundesrat für die Beratungen der Kommission festgestellten Grundlagen, 
der preußische und der hannoversche Entwurf, auf das Konkursverfahren sich 
nicht erstreckten. Es wurde indes bei Beantwortung der Interpellation das 
Bedürfnis einer gemeinschaftlichen Konkursordnung für den Bund anerkannt 
und demgemäß in Aussicht gestellt, daß nach Vollendung der Zivilprozeßordnung 
der Erlaß einer Konkursordnung werde in Anregung gebracht werden. Der 
letztgedachte Zeitpunkt ist nahe. Die in Aussicht stehende Einheitlichkeit des 
Prozeßrechts, die dadurch bedingte Einheitlichkeit der künftigen Gerichtsverfassung 
wenigstens in ihren allgemeinen Grundzügen, insbesondere aber die bereits er- 
wähnte Einheit des Handelsrechts, also desjenigen Gebiets, welches bei einer 
Konkursordnung vorzugsweise in Betracht kommt, läßt in der That auch die 
einheitliche Regelung des Konkursrechts als dringend wünschenswert, wenn nicht 
notwendig erscheinen. Im Namen des Präsidiums beehrt sich daher der Bundes- 
kanzler, den Antrag zu stellen: der Bundesrat wolle sich mit der Ausarbeitung
	        
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