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forderlich sind, damit die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung gehandhabt
werden können.“ Der Antrag wurde indessen abgelehnt und der Präsidial—
antrag in der oben mitgeteilten Fassung mit Stimmenmehrheit angenommen.
Die weitere Beschlußfassung über das für die Prüfung und Feststellung der Ent-
würfe inne zu haltende Verfahren behielt sich der Bundesrat bis nach vollendeter
Ausarbeitung derselben vor.
Die Fertigstellung beider Entwürfe zog sich bis 1873 hinaus.
Auf den die Militärgerichtsbarkeit betreffenden Reichstagsbeschluß
wurde beschlossen, zuvörderst die Feststellung der allgemeinen Strafprozeßordnung
abzuwarten.
Auslieferungsverträge. Von zwei Auslieferungsverträgen, mit denen
der Kanzler den Bundesrat beschäftigte, kam nur der mit Belgien (Vertrag vom
9. Februar 1870, Bundes-Gesetzbl. S. 53) zu stande.“') Der mit Spanien
kam erst im Jahre 1878 zur Perfektion (Vertrag vom 2. Mai 1878, Reichs-
Gesetzbl. S. 213).
Aktiengesellschaften. In dem bezüglichen Gesetzentwurfe aus der
vorigen Session?*) hatte Preußen für den Wegfall der staatlichen Genehmigung
Ersatz in Normativbestimmungen gesucht, die sich teils auf die Begründung,
teils auf die Verwaltung der Gesellschaften bezogen. Gegen diesen Entwurf erhob
sich eine lebhafte Opposition einerseits von Sachsen, welches der Ansicht war,
daß die Bundesgesetzgebung sich entweder des ganzen Genossenschafts-(Vereins-)
Wesens bemächtigen und die privatrechtliche Stellung aller Arten von Genossen-
schaften in einem umfassenden, auf dem nämlichen Prinzip beruhenden Bundes-
gesetze regeln, oder auf ein weiteres Vorgehen auf diesem Gebiete überhaupt
verzichten müsse, *) andererseits von Hamburg, Bremen, Lübeck und Oldenburg.
In dem Bereiche der genannten Staaten war für die Bildung von Aktiengesell-
schaften schon jetzt eine staatliche Genehmigung nicht erforderlich, ohne daß dieser-
*7) Ueber die Entstehung des Vertrags und seinen Inhalt vgl. die „National-Zeitung“
Nr. 121 vom 13. März 1870. «
**) Vgl. oben S. 223.
***) Die Zersplitterung der Normen für das Genossenschaftswesen in verschiedene Gesetze
sei, so führte Sachsen weiter aus, um so mehr für irrationell zu erachten, wenn die gesetz-
liche Klassifizirung der Genossenschaften nicht auf deren inneres Wesen, sondern auf die
äußeren geschäftlichen Zwecke, welche sie verfolgen, gegründet werden soll. Insbesondere
liege im Wesen der Aktiengesellschaften an sich kein Grund, die Ordnung ihrer Rechts-
stellung und die Festsetzung der Bedingungen, unter denen sie entstehen können, einem be-
sonderen Gesetze zu überweisen. Eine solche umfassende Basis für das gesamte Genossen-
schaftswesen sei für Sachsen durch das Gesetz vom 15. Juni 1868 gewonnen. Diese Basis
werde durch ein Fortschreiten auf dem durch das Bundesgesetz vom 4. Juli 1868 über
die Genossenschaften eingeschlagenen Wege der Spezialgesetzgebung immer mehr in Frage
gestellt und es werde dadurch ein für die Interessen aller Beteiligten nachteiliger, verwickelter
Rechtszustand voll innerer Widersprüche und Inkongruenzen geschaffen werden.