Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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halb besondere gesetzliche Kautelen nötig erachtet waren, und es beanstandeten 
deshalb diese Staaten die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Normativbedingungen 
und hielten wegen Artikel 249 des Handelsgesetzbuches einen neuen Gesetzgebungs- 
akt überhaupt nicht für erforderlich.“) 
Die Majorität des Justizausschusses war indessen anderer Ansicht. Das 
Beispiel der Hansestädte beweise für die Entbehrlichkeit der beschränkenden Be- 
stimmungen noch nichts; in großen Städten, wo das Publikum handeltreibend 
und geschäftsgewandt sei, könnten die Verhältnisse in der hier zu beachtenden 
Beziehung ganz anderer Art sein, als in anderen Bundesgebieten. Gleichwohl 
empfahl die Majorität, den Entwurf zur Umarbeitung dem preußischen Mini- 
sterium zu überweisen, damit seine Bestimmungen sich überall im wesentlichen 
denen des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches anschließen möchten. Bei 
der Umarbeitung der Vorlage sollte sich das Justizministerium mit dem von 
dem Ausschuß des Bundesrats bereits beseitigten sächsischen Antrage gar nicht, 
*) Oldenburg stellte nur in Frage, ob es nötig sei, in den fürsorgenden Bestim- 
mungen so weit zu gehen, als der Entwurf. Um so bedeutender war dagegen der Wider- 
spruch Lübecks, Hamburgs und Bremens. Speziell unter Berufung auf die ge- 
wonnene Erfahrung wurde das Bedürfnis zu beschränkenden Bestimmungen bestritten, die- 
selben könnten nur störend und verwirrend, verkehrshemmend und schädlich wirken, sie 
würden namentlich die freie Bewegung der großen Banken und Versicherungsgesellschaften 
behindern, im übrigen seien dieselben überflüssig. Sie widersprächen auf das entschiedenste 
den Verkehrsbedingungen und Rechtsanschauungen der Beteiligten, gingen weiter als die 
einschränkenden Gesetze in Frankreich und England und wären selbst für die Gebiete, in 
denen bisher die staatliche Genehmigung erforderlich war, von zweifelhaftem Werte, da 
manche Operationen, die bisher mit Genehmigung zulässig gewesen wären, fortan ganz 
untersagt werden sollten. Daß ein Aktienschwindel aus der einfachen Aufhebung der 
Staatsgenehmigung hervorgehen werde, sei erfahrungsgemäß nicht zu fürchten. Derartiger 
Schwindel sei seinerzeit in allen Staaten, ohne Rücksicht auf die verschiedene Gesetzgebung 
bervorgetreten. Gegen die Bestimmungen des Entwurfs sprächen fast sämtliche in den 
Motiven selbst gegen die Beibehaltung der Staatsgenehmigung geltend gemachten Gesichts- 
punkte. Der Zweck der Normativbestimmungen werde nicht erreicht, nur anscheinend ge- 
währten sie den Aktionären und Gläubigern Sicherheit, in Wirklichkeit erschwerten sie ohne 
Grund die Errichtung und Geschäftsführung der Aktiengesellschaften, und zwar um so mehr, 
als es bei der großen Verschiedenheit der Gesellschaftszwecke und Mittel niemals möglich 
sein werde, Normativbestimmungen aufszustellen, die für alle Gesellschaften gleich angemessen 
wären. Aus der Thatsache, daß ausländische Aktiengesellschaften freier gestellt wären, würden 
große Inkonvenienzen erwachsen, viele Kapitalien würden infolge dessen dem Inlande ent- 
zogen werden. Hamburg betonte: schon die reglementarischen Vorschriften, welche das 
Handelsgesetzbuch rücksichtlich der Kommandit-Aktiengesellschaften eingeführt habe, seien hinder- 
lich gewesen, wie dies auch bei der Beratung des dortigen Einführungsgesetzes schon vor- 
ausgesehen sei; seit der Einführung des Handelsgesetzbuches habe sich keine einzige solche 
Gesellschaft in Hamburg gebildet, wohl aber eine bedeutende Zahl eigentlicher Aktiengesell- 
schasten. Bremen hielt eventuell nur solche Vorschriften für zulässig und geeignet, welche 
nach Vorgang der englischen Gesetzgebung eine ausgedehntere Offenlegung der über die 
Organisation und Vermögenslage der Gesellschaften Aufschluß gebenden Schriftstücke bezwecken.
	        
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