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halb besondere gesetzliche Kautelen nötig erachtet waren, und es beanstandeten
deshalb diese Staaten die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Normativbedingungen
und hielten wegen Artikel 249 des Handelsgesetzbuches einen neuen Gesetzgebungs-
akt überhaupt nicht für erforderlich.“)
Die Majorität des Justizausschusses war indessen anderer Ansicht. Das
Beispiel der Hansestädte beweise für die Entbehrlichkeit der beschränkenden Be-
stimmungen noch nichts; in großen Städten, wo das Publikum handeltreibend
und geschäftsgewandt sei, könnten die Verhältnisse in der hier zu beachtenden
Beziehung ganz anderer Art sein, als in anderen Bundesgebieten. Gleichwohl
empfahl die Majorität, den Entwurf zur Umarbeitung dem preußischen Mini-
sterium zu überweisen, damit seine Bestimmungen sich überall im wesentlichen
denen des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches anschließen möchten. Bei
der Umarbeitung der Vorlage sollte sich das Justizministerium mit dem von
dem Ausschuß des Bundesrats bereits beseitigten sächsischen Antrage gar nicht,
*) Oldenburg stellte nur in Frage, ob es nötig sei, in den fürsorgenden Bestim-
mungen so weit zu gehen, als der Entwurf. Um so bedeutender war dagegen der Wider-
spruch Lübecks, Hamburgs und Bremens. Speziell unter Berufung auf die ge-
wonnene Erfahrung wurde das Bedürfnis zu beschränkenden Bestimmungen bestritten, die-
selben könnten nur störend und verwirrend, verkehrshemmend und schädlich wirken, sie
würden namentlich die freie Bewegung der großen Banken und Versicherungsgesellschaften
behindern, im übrigen seien dieselben überflüssig. Sie widersprächen auf das entschiedenste
den Verkehrsbedingungen und Rechtsanschauungen der Beteiligten, gingen weiter als die
einschränkenden Gesetze in Frankreich und England und wären selbst für die Gebiete, in
denen bisher die staatliche Genehmigung erforderlich war, von zweifelhaftem Werte, da
manche Operationen, die bisher mit Genehmigung zulässig gewesen wären, fortan ganz
untersagt werden sollten. Daß ein Aktienschwindel aus der einfachen Aufhebung der
Staatsgenehmigung hervorgehen werde, sei erfahrungsgemäß nicht zu fürchten. Derartiger
Schwindel sei seinerzeit in allen Staaten, ohne Rücksicht auf die verschiedene Gesetzgebung
bervorgetreten. Gegen die Bestimmungen des Entwurfs sprächen fast sämtliche in den
Motiven selbst gegen die Beibehaltung der Staatsgenehmigung geltend gemachten Gesichts-
punkte. Der Zweck der Normativbestimmungen werde nicht erreicht, nur anscheinend ge-
währten sie den Aktionären und Gläubigern Sicherheit, in Wirklichkeit erschwerten sie ohne
Grund die Errichtung und Geschäftsführung der Aktiengesellschaften, und zwar um so mehr,
als es bei der großen Verschiedenheit der Gesellschaftszwecke und Mittel niemals möglich
sein werde, Normativbestimmungen aufszustellen, die für alle Gesellschaften gleich angemessen
wären. Aus der Thatsache, daß ausländische Aktiengesellschaften freier gestellt wären, würden
große Inkonvenienzen erwachsen, viele Kapitalien würden infolge dessen dem Inlande ent-
zogen werden. Hamburg betonte: schon die reglementarischen Vorschriften, welche das
Handelsgesetzbuch rücksichtlich der Kommandit-Aktiengesellschaften eingeführt habe, seien hinder-
lich gewesen, wie dies auch bei der Beratung des dortigen Einführungsgesetzes schon vor-
ausgesehen sei; seit der Einführung des Handelsgesetzbuches habe sich keine einzige solche
Gesellschaft in Hamburg gebildet, wohl aber eine bedeutende Zahl eigentlicher Aktiengesell-
schasten. Bremen hielt eventuell nur solche Vorschriften für zulässig und geeignet, welche
nach Vorgang der englischen Gesetzgebung eine ausgedehntere Offenlegung der über die
Organisation und Vermögenslage der Gesellschaften Aufschluß gebenden Schriftstücke bezwecken.