— 312 —
mit den gegen die Normativbestimmungen gemachten Einwendungen nur in so
weit zu beschäftigen haben, als zu erörtern war, ob eine Beseitigung oder
Aenderung derselben, „nach Maßgabe der eingegangenen Bemerkungen“ für zu—
lässig zu halten sei; ferner mit der Forderung, daß die Bestimmungen für alle
Aktiengesellschaften, also auch für die Aktiengesellschaften, die nicht Handels-
gesellschaften sind, Anwendung finden können. Als der hiernach umgearbeitete
Entwurf?) zum zweiten Mal an den Justizausschuß gelangte, hielt derselbe nach
wie vor an der Ansicht fest, daß die Aktiengesellschaften volkswirtschaftlich von
großem Interesse seien, wesentliche Fortschritte für die Zivilisation hervorgebracht
hätten, daß daher einschränkende Maßregeln in ihrer Entwicklung zu vermeiden
seien. Dennoch sei es geboten, die Geschäftsform, wenn man sie allen frei-
gibt, mit strengen Normen, ja selbst mit Strafvorschriften auszustatten. Für
die Beurteilung der Frage, ob man mehr nach Strenge oder mehr nach Frei-
heit zu streben habe, verwies der Bericht in sehr eingehender Weise auf die
einschlägigen Verhältnisse in England, Frankreich und schließlich in Italien.
Es wurde daraus nachgewiesen, daß man in England wie in Frankreich sehr
umständliche Formvorschriften für Aktiengesellschaften für notwendig gehalten
hatte und daß beide Gesetzgebungen eine Kontrolle durch dazu designirte Mit-
glieder hatten; in England und Italien hatte man außerdem noch das Anrufen
und die Einmischung der Staatsbehörden gestattet. Im Ausschuß verschaffte
sich die Ansicht Geltung, daß der Entwurf im ganzen nicht an einem Ueber-
maß einengender Formen leide. Schließlich wurde der Entwurf mit den von
der Kommission empfohlenen Modifikationen“) dem Bundesrat zur Annahme
unterbreitet.
Der wiederholte Protest Hamburgs vermochte dieselbe hier nicht aufzuhalten.
Das Bundespräsidium wurde übrigens ersucht, im Auftrage der vereinigten
Regierungen mit den süddeutschen Staaten wegen Anschlusses an dies Gesetz
und die darin enthaltenen Abänderungen des deutschen Handelsgesetzbuches sich
ins Einvernehmen zu setzen.
Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktien-
gesellschaften. Vom 11. Juni 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 375).")
Haftpflicht. Der in Gemäßheit eines Bundesratsbeschlusses vom Jahre
1869 von dem Kanzler vorgelegte Gesetzentwurf x) über die Entschädigungspflicht
*) Eine Analyse findet sich in der „National-Zeitung“ Nr. 182 vom 20. April 1870.
**) Vgl. die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 108 vom 10. Mai 1870.
**) Ein Schreiben des Kanzlers an den Bundesrat bezog sich auf das Verhältnis des
königl. sächsischen Gesetzes vom 15. Juni 1868 über juristische Personen zum Bundesgesetze
über das Genossenschaftswesen.
4) Resumé des dem Bundesrat vorgelegten Entwurfes s. „National-Zeitung“ Nr. 219
vom 13. Mai 1870; Nr. 303 vom 3. Juli 1870 und „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“
Nr. 153 vom 5. Juli 1870.