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In Sachen der Flößereiabgaben auf der Werra und Saale
gelangten die Ausschüsse des Bundesrats zu folgendem Konklusum:
1. „Der Bundesrat wolle beschließen, das Präsidium zu ersuchen, die Er—
hebung der mit Artikel 54 der Bundesverfassung nicht im Einklange stehenden,
auf der schiffbaren Strecke der Werra von der Schiffahrt und Flößerei
erhobenen Abgaben von einem bestimmten Tage an abzustellen; 2. die Kon—
struktion der Flöße auf der Saale dem Ermessen der Flößer zu überlassen,
ausgenommen in Betreff der Breite der Flöße, welche nach der Breite der
Brücken= 2c. Oeffnungen zu bemessen ist; das Umbauen der Flöße für statthaft
zu erklären und die Bemannung derselben unter bestimmten Verhältnissen mit
je einem Flößer für genügend zu erachten, auch in Betreff weiterer polizeilichen
Vorschriften gleichmäßige Anordnungen zu treffen; 3. einem Gesetzentwurf in
drei Paragraphen die Genehmigung zu erteilen, nach welchem auf den nur
flößbaren Strecken derjenigen natürlichen Wasserstraßen, welche mehreren
Bundesstaaten gemeinschaftlich sind, von der Flößerei mit verbundenen Hölzern
Abgaben nur für die Benutzung besonderer, zur Erleichterung des Verkehrs
bestimmten Anstalten erhoben werden sollen. Für die Aufhebung unzulässiger
Abgaben wird Entschädigung geleistet, wenn das Recht zur Erhebung der Ab-
gaben auf einem lästigen Privatrechtstitel beruht und nicht einem Bundesstaate
zusteht. Die Bundeskasse leistet den achtzehnfachen Betrag des Reinertrages
der Abgabe aus den drei Jahren 1867/69 und so weiter; 4. hierdurch die
beschwerdeführenden Petitionen für erledigt zu erachten."“
Der Bundesrat erteilte dem Sub Ziffer 3 erwähnten Gesetzentwurfe seine
Genehmigung. Gesetz vom 1. Juni 1870 (B.-G.-Bl. S. 312).
Ueber den Nachweis der Befähigung als Seeschiffer und See-
steuermann auf deutschen Kauffahrteischiffen hatte der Bundesrat
des Norddeutschen Bundes Anordnungen über das Prüfungsverfahren und über
die Zusammensetzung der Prüfungskommission zu treffen.) Zur Erfüllung
dieser Vorschrift legte der Bundeskanzler im Februar 1870 zwei Entwürfe,
nämlich über die Prüfung für große Fahrt und über die Prüfung für kleine
Fahrt, dem Bundesrat zur Beschlußnahme vor.
Gegen diese Vorlage erhoben die Bevollmächtigten für Mecklenburg-Schwerin,
Oldenburg, Lübeck und Bremen Einwendungen; sie konnten sich nicht damit
einverstanden erklären, daß den Regierungen der Seestaaten, denen die Ein-
richtung und Unterhaltung der Navigationsschulen nach wie vor oblag, die
Leitung der Seemannsprüfung für große Fahrt entzogen und auf vom Bundes-
kanzler ernannte Inspektoren übertragen werden sollte, welche den Prüfungs-
kommissionen präsidiren und über den Ausfall der schriftlichen Prüfung allein
entscheiden. Sie hielten es für fraglich, ob die Präsidialvorlage mit § 31 der
*) Vergl. oben S. 253 f.