Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

werden, nicht teilgenommen. Es hat vielmehr nur den Friedensvertrag vom 
30. März mit unterzeichnet, in dessen Artikel 7 die Kontrahenten sich lediglich 
verpflichten, die Unabhängigkeit und Integrität der Türkei zu achten, ferner 
gemeinschaftlich die genaue Beobachtung dieser Verpflichtung garantiren und 
erklären, daß sie jeden Akt, welcher dem entgegen wäre, als eine Frage des 
allgemeinen Interesses ansehen werden. Um die Integrität und Unabhängigkeit 
des türkischen Reichs handelt es sich jetzt nicht, daher auch nicht um eine von 
Preußen oder seinen Rechtsnachfolgern zu fordernde Ausführung des Artikels 7, 
sondern lediglich um die Pflichten und Rechte, welche an sich durch die Unter- 
zeichnung eines Vertrags erwachsen. Besondere Garantien oder Pflichten ergeben 
sich für Preußen aus dem Vertrage vom 30. März 1856 nicht, sondern nur 
das Recht, die Erfüllung von Pflichten, welche von anderen in dem Vertrage 
übernommen worden sind, zu fordern. Ob aber dieses Recht ausgeübt werden 
soll, darüber sind nur die Interessen der Nation zu Rate zu ziehen. Die Form, 
welche das Kabinet zu Petersburg gewählt hat, und welche, nach seiner eigenen 
Erklärung, eine weitere Verständigung durch gemeinsame Beratung nicht aus- 
schließt, nach ihrer Rechtsbeständigkeit zu prüfen, würde erst dann in den Auf- 
gaben des Auswärtigen Amtes liegen, wenn feststände, daß durch Formverletzungen 
die Interessen oder das Ansehen Deutschlands in Frage gestellt wären. Das 
Präsidium hofft, daß seine Auffassung von der rechtlichen Stellung des Nord- 
deutschen Bundes zu der vorliegenden Angelegenheit von dem Bundesrat 
geteilt wird, und wünscht die Ansicht seiner Bundesgenossen über die Frage, 
wie weit die Interessen Deutschlands durch die Verhältnisse, auf welche die vor- 
gelegten Aktenstücke sich beziehen, berührt werden, kennen zu lernen, um sich 
demnächst in gemeinsamer Beratung über die Behandlung der Frage zu ver- 
ständigen und dem Reichstag die Sachlage mitzuteilen. Zur Erleichterung der 
Orientirung ist ein Abdruck der bezüglichen Verabredungen vom Jahre 1856 
unter Nr. VII beigefügt. Inzwischen hat das Präsidium den Zeitpunkt für 
günstig erachtet, um einen Vermittlungsvorschlag an die Mitunterzeichner des 
Pariser Friedensvertrages vom 30. März 1856 zu richten, welcher dahin geht, 
daß dieselben ihre Vertreter in London autorisiren möchten, zu einer Konferenz 
zusammenzutreten, um in derselben die Fragen zu erwägen, welche sich an die 
von dem keaiserlich russischen Kabinet durch dessen Zirkular vom 19./31. Oktober 
gemachten Eröffnungen knüpfen. Der Vorschlag hat in London, Petersburg 
und Florenz günstige Aufnahme gefunden, und es scheint Aussicht vorhanden, 
daß er auch die Zustimmung der übrigen an dem Pariser Friedensvertrage 
vom 30. März 1856 beteiligten Mächte erhalten werde. 
v. Bismarck.“
	        
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