Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

— 333 — 
12. Die Versailler Verträge. 
Von den Verträgen, welche Bismarck mit den süddeutschen Staaten wegen 
des Eintritts derselben in den Norddeutschen Bund geschlossen hatte, legte der- 
selbe dem Bundesrat zuerst die Verträge mit Baden und Hessen vom 
15. November 1870 vor. Dieselben begegneten keinen Schwierigkeiten, da sie 
sich vom Boden der seitherigen Verfassung des Norddeutschen Bundes kaum 
entfernten und deshalb in einer Sitzung des Bundesrats am 23. November 
1870 glatt angenommen wurden. (Bundes-Gesetzbl. 1870 S. 650). 
Gespannter war man in Bundesratskreisen") auf die Bedingungen, unter welchen 
Württemberg und Bayern in den Bund zu treten geneigt sein würden und 
über welche die Verhandlungen noch nicht zum Abschluß gediehen waren. Noch war 
man nicht ohne Sorgen deshalb. Schon waren die württembergischen Bevoll- 
mächtigten, Minister v. Mittnacht und v. Suckow, in Berlin angelangt und 
noch waren die in Versailles abgeschlossenen Verträge von da nicht vollständig 
nach Berlin gekommen. Minister v. Mittnacht selbst sagte bei einem Diner des 
nordamerikanischen Gesandten, Mr. Bankroft, er werde die Verträge nicht voll- 
ziehen, wenn sich zeige, daß an Bayern größere Konzessionen gemacht würden. 
Am 25. November wurden die Verträge mit Württemberg und am 
28. November, in der Sitzung des Bundesrats, die Verträge mit Bayern ge- 
druckt mitgeteilt, und Minister Delbrück gab mündlich einen Ueberblick über den 
Inhalt der letzteren. Die Abstimmung über die unschuldigeren Verträge mit 
Württemberg erfolgte alsbald zustimmend. Aber der erste Eindruck, den der 
Ueberblick über die Verträge mit Bayern auf die Mitglieder des Bundesrats 
machte, war — das ließ sich nicht leugnen — ein deprimirender. Dieselben 
hatten sich wohl darauf gefaßt gemacht, daß diese und jene besondere Konzession 
an einen Staat wie Bayern nicht zu umgehen sein werde; allein auf so viele 
Exemtionen und Privilegien, wie sie der bayerischen Regierung und der 
bayerischen Gesetzgebung in diesen Verträgen zugestanden waren, waren sie nicht 
gefaßt. Erst in der vorhergegangenen Nacht waren die bayerischen Verträge 
nach Berlin gelangt, die Graf Bismarck allein mit dem bayerischen Bevoll- 
mächtigten in Versailles vorherrschend unter dem Einflusse der Absicht abge- 
schlossen hatte, Bayern à tout prix in den Bund hineinzuzwingen. 
Nun sollte schon am 1. Dezember die Abstimmung des Bundesrats über 
die wichtige Vorlage erfolgen, und zwar wurde dies mit dem Hinzufügen an- 
gekündigt, daß es sich bei der Abstimmung wesentlich nur um „ja“ oder „nein“ 
werde handeln können, da zu erneuten Verhandlungen mit Bayern schon darum 
keine Füglichkeit gegeben sei, weil sich keine bayerischen Bevollmächtigten in Berlin 
befänden. In peinlich konsternirter Stimmung standen die Mitglieder des Bundes- 
*) Ich entnehme diese Ausführungen den Denkwürdigkeiten des weimarischen Staats- 
ministers Dr. Stichling.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.