Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

müssen, daß Graf Bismarck diesen Vertrag als ein Ganzes, als einen großen 
politischen Akt betrachtet habe, den er so nicht abgeschlossen hätte, wenn Bayerns 
Eintritt wohlfeiler und mehr im System und Schema der Verfassung zu haben 
gewesen wäre. Ein andere Frage ist es, ob Bayern nicht klüger gehandelt 
hätte, einfach als primus inter pares einzutreten, auf sein Recht und sein 
eigenes Gewicht vertrauend, anstatt, wie jetzt der Fall, durch Ausnahmen zweifel- 
haften Wertes und zweifelhafter Dauer die Bundesgenossen zu verstimmen und 
den Reichstag zum Kampfe gegen die Dauer dieser Sonderrechte herauszufordern. 
Was mir materiell am wenigsten zusagt, ist Bayerns exzeptionelle Stellung zur 
Militärverfassung, während es doch im Militärausschuß volle Stimme führt. 
Wenn indes der Bundesfeldherr diesen Preis für den Eintritt Bayerns in die 
Verfassung nicht zu hoch fand, so werden sich die anderen Bundesglieder dabei 
beruhigen müssen. Der diplomatische Ausschuß wird sachlich keinen großen Ein- 
fluß oder Geschäftskreis haben, nur Bayern eine gewisse Wichtigkeit geben, aber 
es stört die Gleichberechtigung. Die übrigen Exzeptionen sind im ganzen un- 
zweckmäßig, aber sie haben für Mecklenburg den Vorteil, daß der Bund weit 
weniger die Wesenheit eines zentralisirten Staats behalten oder erhalten kann, 
als bis jetzt zu fürchten war. Das ganze Triebwerk wird föderaler."“ 
Der Großherzog von Mecklenburg ermächtigte darauf Herrn v. Bülow, sich 
in dem vorstehend entwickelten Sinne bei der Abstimmung über die Verträge im 
Bundesrat zustimmend zu erklären. Dies geschah in der Sitzung vom 9. De- 
zember. Die Instruktion des Großherzogs aus Orleans hatte Bülow an diesem 
Tage noch nicht erhalten. Er stimmte aber auf eigene Verantwortung für die 
Annahme. Nur bezüglich der durch den Ausdruck „Reich“ in der Verfassung 
vorzunehmenden Aenderung legte er die Verwahrung ein, daß dadurch sachliche 
Veränderungen in der Bundesorganisation nicht bedingt seien. Sachsen schloß 
sich dieser Verwahrung an und auf Antrag Hessens trat schließlich die ganze 
Versammlung derselben bei. 
12. Die Kaiserfrage 
schwebte während der Verhandlungen über die Versailler Verträge im Reichstag 
in der Luft, und da derselbe am 10. Dezember geschlossen werden sollte, so 
war die Befürchtung gerechtfertigt, die Sache werde bis zum nächsten Reichstag 
im Frühjahr 1871 ruhen. In der Nacht vom 7. zum 8. Dezember wurde 
der weimarische Staatsminister Stichling durch ein Telegramm seines Groß- 
herzogs aus Versailles geweckt, welches lautete: „Zum geschäftlichen Abschluß 
der Kaiserfrage wird, nachdem nunmehr die zustimmenden Erklärungen der 
meisten Fürsten vorliegen, eine verfassungsmäßige Beschlußnahme des nord- 
deutschen Bundesrats und Reichstags vor Schluß des letzteren unentbehrlich 
sein. Der bayrischen Anregung in Süddeutschland entsprechend wird in Nord-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.