Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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deutschland die Anregung im Bundesrat gegeben werden müssen. Ich beauf- 
trage Sie hiermit, im Bundesrat den betreffenden Antrag nach Rücksprache mit 
Ihren Kollegen, jedenfalls aber rechtzeitig, zu stellen. 
Karl Alexander.“ 
Als Stichling am andern Morgen sich zur Besprechung der Sache zum 
Staatsminister Delbrück begab, erfuhr er von demselben, daß dieser ebenfalls 
ein Telegramm vom Grafen Bismarck mit der Weisung erhalten habe, sich 
wegen Stellung dieses Antrags mit Stichling zu benehmen. Nun besprach 
derselbe die Sache auch mit seinen thüringer Kollegen, entwarf alsbald in 
einem Nebenzimmer des Reichstags den Antrag, teilte ihn den eben dahin ge- 
kommenen preußischen Bevollmächtigten, Minister Delbrück und Präsident Pape, 
mit, mit denen er sich über die Fassung im einzelnen zuvor verständigt hatte, 
von da wanderte er sofort in die Druckerei und abends noch wurde er gedruckt 
unter die Mitglieder des Bundesrats verteilt. Tags darauf, am 9. Dezember, 
kam er zur Verhandlung in der Sitzung des Bundesrats.) Nach einer kurzen 
Motivirung von Stichlings Seite, in welcher er einerseits auf die bereits er- 
folgten Kundgebungen der deutschen Reichsfürsten sich stützte, andererseits die 
Inkonvenienzen hervorhob, die es haben würde, wenn die Kaiserfrage nicht auch 
schon vor dem Schlusse des jetzt versammelten Reichstags zum Abschluß kommen, 
sondern bis zum Frühjahr verschoben bleiben müsse, wurde sein Antrag vom 
Bundesrat mit einer unwesentlichen Modifikation, welche aus einer vorher- 
gegangenen Besprechung mit den Bevollmächtigten der süddeutschen Staaten 
hervorging, angenommen, sofort durch das Präsidium an den Reichstag gebracht 
und dort für den folgenden Tag noch auf die Tagesordnung gesetzt, so daß er 
noch bei der dritten Lesung der Reichsverfassung erledigt werden konnte. Am 
10. Dezember wurde er mit der darnach entsprechenden anders redigirten Reichs- 
verfassung vom Reichstag angenommen und noch an demselben Abend der 
Reichstag geschlossen, nachdem noch eine große Deputation gewählt worden war, 
um in Versailles den neuen Kaiser zu begrüßen.) 
*) Der mecklenburgische Staatsminister v. Bülow berichtete seinem Großherzog am 
10. Dezember über diese Sitzung: „Der Antrag wegen Uebertragung der Kaiserwürde war 
von Weimar gestellt. In einer Vorbesprechung, die der Sitzung voraufging, hatte der 
badische Minister v. Freydorf einen sehr viel weitergehenden Antrag vorgeschlagen, nach 
welchem der König von Preußen „als Oberhaupt Deutschlands alle monarchischen Attri- 
butionen in sich vereinigen sollte.“ Der hessische Bevollmächtigte Hofmann hatte opponirt, 
aber nur mit Mühe die Vertreter von Bayern und Württemberg von den „bedenklichen 
Konsequenzen einer zu weitgehenden Fassung“ überzeugt und diejenige Fassung durchgesetzt, 
welche später vom Bundesrat angenommen wurde. Minister Delbrück erklärte alsdann, 
alle Teile seien darüber einig, den neu zu formirenden Ausschuß für auswärtige An- 
gelegenheiten durch zwei aus Wahl hervorgehende Mitglieder zu verstärken.“ 
*“) Bald darauf erhielt Stichling ein Schreiben seines Großherzogs, worin er ihm
	        
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