fullscreen: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

als er den Direktor der Abteilung für Gewerbe zum Präsidenten des Bundes- 
kanzler-Amts ausersah. Als der Posten geschaffen ward, wußte man nicht recht, 
was man sich darunter vorstellen solle. Die meisten dachten ihn sich als eine 
Art höherer Kanzleivorstandschaft. Daß er der Stütz= und Mittelpunkt der 
Regierung und Gesetzgebung Deutschlands — wenigstens für die inneren An- 
gelegenheiten — geworden ist, weiß heute jedermann; damals sahen nur wenige 
es voraus. Denn voraussehen konnten es nur diejenigen, die mit dem Er- 
nannten und mit seinen seltenen Eigenschaften genau bekannt waren. Was 
das Bundes= und das Reichskanzler-Amt geworden ist, das ist es vor allem, 
wenn nicht ausschließlich, durch die außerordentliche Persönlichkeit geworden, in 
deren Hände der neue Apparat gelegt wurde. Heute kann man sich nur schwer 
vorstellen, wie die komplizirte Maschine der Reichsverfassung neben dem Räder- 
werk so vieler Einzelstaaten hätte mit Erfolg arbeiten sollen, wenn nicht ein 
Mann wie Delbrück die Leitung und Aufsicht besorgt hätte. Seine ganze 
Natur und die Art seiner Bildung schienen eigens dazu geschaffen, um die 
Natur des Kanzlers zu ergänzen und mit ihm gemeinschaftlich das große Ex- 
periment durchzuführen, welches zu gleicher Zeit und täglich Energie und 
Mäßigung, Festigung und Nachgiebigkeit, Großheit im Entwerfen und sorgfältige 
Präzision im Ausführen, Kühnheit im Neuen und Ordnung in der Geschäfts- 
führung, gutes Einvernehmen mit den Regierungen und Vertrauen von seiten 
des Volkes und seiner Vertreter erheischte. Dem Ruhm des Reichskanzlers tritt 
man nicht zu nahe, wenn man ausspricht, daß er allein das Werk nicht hätte 
durchführen können. So unentbehrlich ihm der Degen Moltkes war, so unent- 
behrlich war ihm die Feder Delbrücks. 
Die spätere Ernennung Delbrücks zum Staatsminister erfolgte ausschließlich 
auf Betreiben Bismarcks. Er gehörte zum „Handwerkszeug“ des Kanzlers, 
ohne welches ihm die Arbeit schwer geworden wäre) 
Delbrück hatte in den inneren Fragen des Reichs plein pouvoir. Er war 
durch keinerlei schriftliche Instruktionen Bismarcks gebunden; er konnte jedem 
legislatorischen Gedanken näher treten, darüber mit den Bundesregierungen und 
seinen Kollegen im preußischen Staatsministerium korrespondiren, einer Sache 
ihren Lauf geben oder sie zurücklegen und nach Belieben wählen, ob und 
wann er darüber mit seinem Chef sprechen wollte. Da die Eingänge an das 
„Reichskanzler-Amt“ gerichtet zu werden pflegten, so kamen die Schriftstücke und 
die darauf zu erteilenden Antworten dem Kanzler nur dann vor Augen, wenn 
Delbrück der prinzipiellen Wichtigkeit der Sache wegen die Vorlegung veranlaßte. 
Anträge, die ausnahmsweise an die Person Bismarcks gerichtet waren, pflegte 
der Kanzler an das Reichskanzler-Amt abzugeben, wenn ihn die Frage interessirte, 
*) Unsere Minister S. 147. 
**) Roon Bd. II. S. 410.
	        
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