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große Verschiedenheit der Ansichten herausstellt, und sich in diesem Falle die
fürstlichen Beratungen weit mehr in die Länge ziehen werden, als man nach
dem Ergebnis der Sonnabendsitzung erwarten durfte. Der eine wie der andere
Fall würde mithin schon eine Verlängerung meines hiesigen Aufenthalts zur
Folge haben. Bei allem Vertrauen zu der fürstlichen Einsicht und Begabung
glaube ich mich aber doch nicht der Hoffnung hingeben zu können, daß der
Entwurf aus der Beratung der Souveräne in solcher Fassung hervorgehen werde,
daß sich nicht noch eine Ueberarbeitung desselben nötig machen sollte; diese
würde dann wahrscheinlich den Ministern übertragen werden und von ihnen
alsbald hier vorgenommen werden müssen. Wäre wenigstens ein endliches
günstiges Resultat vorauszusehen! Allein auch in dieser Beziehung sind meine
Befürchtungen größer als meine Hoffnungen. Nach den unter den Ministern
gepflogenen vorläufigen vertraulichen Besprechungen hat sich meine Ueberzeugung
dahin festgestellt, daß es nicht möglich sein werde, für diejenigen Modifikationen
des österreichischen Entwurfs, ohne welche einerseits der Beitritt Preußens un—
denkbar ist und andererseits die Nation in ihren Erwartungen sich bitter getäuscht
finden wird, auch nur eine Mehrheit der Stimmen, geschweige denn eine all—
seitige Zustimmung zu erlangen. Daß meine Stimmung unter diesen Verhält-
nissen nicht die beste ist, wirst Du natürlich finden.“
*
Frankfurt a. /M., 31. August 1863.
An Freiin Wanda v. Seebach.
„Noch in diesem Augenblick ist hier alles im vollständigsten Gärungsprozeß;
die Ansichten gehen bunt durch einander, und die Verlegung der fürstlichen Schluß-
sitzung von heute auf morgen wird schwerlich eine größere Harmonie, jedenfalls
keine allseitige Uebereinstimmung herbeiführen, weder in Beziehung auf das von
den hohen Souveränen beratene Werk selbst noch in Beziehung auf das Ver-
fahren, welches nun weiter, namentlich Preußen gegenüber, eingehalten werden
soll. Auch darüber, ob Ministerkonferenzen stattfinden sollen, ob sofort oder
später, herrscht noch vollständige Ungewißheit; indes halte ich an der Hoffnung
fest, daß dieser Kelch jetzt vorübergehen wird. In der morgenden Sitzung wird
deshalb Beschluß gefaßt werden.“*)
*
Die Beteiligung von Coburg-Gotha an dem Kriege von 1866 ist aus
dem Werke „Ernst II. Aus meinem Leben“ bekannt. In den ersten Tagen
des August nach der Rückkehr Bismarcks von dem böhmischen Kriegsschauplatz
begannen alsbald die Verhandlungen desselben mit den Ministern der deutschen
Staaten wegen Abschluß der Friedensverträge mit Bayern, Hessen, Baden und
*) Bekanntlich erfolgte bereits am 1. September 1863 der Schluß des ergebnislosen
Fürstenkongresses.