Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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große Verschiedenheit der Ansichten herausstellt, und sich in diesem Falle die 
fürstlichen Beratungen weit mehr in die Länge ziehen werden, als man nach 
dem Ergebnis der Sonnabendsitzung erwarten durfte. Der eine wie der andere 
Fall würde mithin schon eine Verlängerung meines hiesigen Aufenthalts zur 
Folge haben. Bei allem Vertrauen zu der fürstlichen Einsicht und Begabung 
glaube ich mich aber doch nicht der Hoffnung hingeben zu können, daß der 
Entwurf aus der Beratung der Souveräne in solcher Fassung hervorgehen werde, 
daß sich nicht noch eine Ueberarbeitung desselben nötig machen sollte; diese 
würde dann wahrscheinlich den Ministern übertragen werden und von ihnen 
alsbald hier vorgenommen werden müssen. Wäre wenigstens ein endliches 
günstiges Resultat vorauszusehen! Allein auch in dieser Beziehung sind meine 
Befürchtungen größer als meine Hoffnungen. Nach den unter den Ministern 
gepflogenen vorläufigen vertraulichen Besprechungen hat sich meine Ueberzeugung 
dahin festgestellt, daß es nicht möglich sein werde, für diejenigen Modifikationen 
des österreichischen Entwurfs, ohne welche einerseits der Beitritt Preußens un— 
denkbar ist und andererseits die Nation in ihren Erwartungen sich bitter getäuscht 
finden wird, auch nur eine Mehrheit der Stimmen, geschweige denn eine all— 
seitige Zustimmung zu erlangen. Daß meine Stimmung unter diesen Verhält- 
nissen nicht die beste ist, wirst Du natürlich finden.“ 
* 
Frankfurt a. /M., 31. August 1863. 
An Freiin Wanda v. Seebach. 
„Noch in diesem Augenblick ist hier alles im vollständigsten Gärungsprozeß; 
die Ansichten gehen bunt durch einander, und die Verlegung der fürstlichen Schluß- 
sitzung von heute auf morgen wird schwerlich eine größere Harmonie, jedenfalls 
keine allseitige Uebereinstimmung herbeiführen, weder in Beziehung auf das von 
den hohen Souveränen beratene Werk selbst noch in Beziehung auf das Ver- 
fahren, welches nun weiter, namentlich Preußen gegenüber, eingehalten werden 
soll. Auch darüber, ob Ministerkonferenzen stattfinden sollen, ob sofort oder 
später, herrscht noch vollständige Ungewißheit; indes halte ich an der Hoffnung 
fest, daß dieser Kelch jetzt vorübergehen wird. In der morgenden Sitzung wird 
deshalb Beschluß gefaßt werden.“*) 
* 
Die Beteiligung von Coburg-Gotha an dem Kriege von 1866 ist aus 
dem Werke „Ernst II. Aus meinem Leben“ bekannt. In den ersten Tagen 
des August nach der Rückkehr Bismarcks von dem böhmischen Kriegsschauplatz 
begannen alsbald die Verhandlungen desselben mit den Ministern der deutschen 
Staaten wegen Abschluß der Friedensverträge mit Bayern, Hessen, Baden und 
*) Bekanntlich erfolgte bereits am 1. September 1863 der Schluß des ergebnislosen 
Fürstenkongresses.
	        
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