Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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Die Motivirung des § 6 des Entwurfs lautete wie folgt: 
„Ueber die Notwendigkeit, Abweichungen von den Normaleinheitssätzen und 
den allgemeinen Tarifvorschriften 
a) behufs Abwendung einer Gefährdung inländischer wirtschaftlicher Inter- 
essen und 
b) zur Begegnung der Konkurrenz von Verkehrswegen und Verkehrsanstalten 
anderer Art (namentlich der Schiffahrt) sowie von fremdländischen Eisenbahnen 
freizulassen, war der Ausschuß einig; ebenso darüber, daß derartige Abweichungen, 
soweit nicht für die Konkurrenz gegen fremdländische Bahnen nach § 7 gewisse 
Erleichterungen nachgelassen sind, der Genehmigung der Aufsichtsbehörde zu 
unterwerfen seien. Die überwiegende Mehrheit entschied sich dafür, diese Ge- 
nehmigung dem Bundesrat zu übertragen, da es sich um Ausnahmen von der 
durch den Bundesrat festgesetzten Regel und um Fragen allgemein wirtschaft- 
licher Natur von oft erheblicher Tragweite handle, während von anderer Seite 
die Landesregierung im Einverständnis mit dem Reichs-Eisenbahn-Amt oder das 
letztere allein als genehmigende Instanzen mit Rücksicht darauf in Vorschlag ge- 
bracht waren, daß es sich nur darum handle, zu beurteilen, ob im Einzelfall 
die ein für allemal festgesetzten Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung 
vorliegen, der Bundesrat aber mit solchen Einzelheiten nicht befaßt werden dürfe, 
auch häufig das Bedürfnis einer schnellen Entscheidung vorliege. 
Mit dem im Absatz 2 des § 6 ausgesprochenen Grundsatz, daß einer Be- 
günstigung ausländischer Erzeugnisse vor gleichartigen inländischen Produkten nur 
dann nachgegeben werden dürfe, wenn sonst eine erhebliche Benachteiligung 
wichtiger inländischer Interessen zu befürchten stehe, war man allseitig einver- 
standen. Der Zusammenhang dieser Frage mit der Zoll= und Handelspolitik 
des Reiches wurde nicht anerkannt. Nur für den Durchgangsverkehr wurde 
von einer Seite eine Erleichterung infofern für wünschenswert erachtet, als für 
die Bewilligung von Ausnahmen nicht der Nachweis eines besonderen Vorteils 
für inländische wirtschaftliche Interessen verlangt werden, sondern schon der Nach- 
weis genügen solle, daß durch die Bewilligung keine Schädigung solcher Inter- 
essen hervorgerufen würde. Eine derartige allgemeine Bevorzugung des Transit= 
verkehrs wurde indessen angesichts der mitbeteiligten deutschen Interessen für 
bedenklich erachtet, auch auf das Mißliche einer zutreffenden Unterscheidung des 
direkten und des Durchgangsverkehrs namentlich im Verkehr mit den deutschen 
Seehäfen hingewiesen, übrigens auch konstatirt, daß im Sinne des § 6 auch 
die Eisenbahninteressen zu den „wirtschaftlichen Interessen des Inlandes“ zu 
rechnen seien, und demzufolge eine abweichende Behandlung des Durchgangs- 
verkehrs mit großer Mehrheit abgelehnt. 
In dringenden Fällen, in denen — namentlich gegenüber der Konkurrenz 
fremder Verkehrswege — eine schleunige Entscheidung bedingt ist, soll die Landes- 
aufsichtsbehörde im Einverständnis mit dem Reichs-Eisenbahn-Amt vorbehaltlich
	        
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