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Die Motivirung des § 6 des Entwurfs lautete wie folgt:
„Ueber die Notwendigkeit, Abweichungen von den Normaleinheitssätzen und
den allgemeinen Tarifvorschriften
a) behufs Abwendung einer Gefährdung inländischer wirtschaftlicher Inter-
essen und
b) zur Begegnung der Konkurrenz von Verkehrswegen und Verkehrsanstalten
anderer Art (namentlich der Schiffahrt) sowie von fremdländischen Eisenbahnen
freizulassen, war der Ausschuß einig; ebenso darüber, daß derartige Abweichungen,
soweit nicht für die Konkurrenz gegen fremdländische Bahnen nach § 7 gewisse
Erleichterungen nachgelassen sind, der Genehmigung der Aufsichtsbehörde zu
unterwerfen seien. Die überwiegende Mehrheit entschied sich dafür, diese Ge-
nehmigung dem Bundesrat zu übertragen, da es sich um Ausnahmen von der
durch den Bundesrat festgesetzten Regel und um Fragen allgemein wirtschaft-
licher Natur von oft erheblicher Tragweite handle, während von anderer Seite
die Landesregierung im Einverständnis mit dem Reichs-Eisenbahn-Amt oder das
letztere allein als genehmigende Instanzen mit Rücksicht darauf in Vorschlag ge-
bracht waren, daß es sich nur darum handle, zu beurteilen, ob im Einzelfall
die ein für allemal festgesetzten Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung
vorliegen, der Bundesrat aber mit solchen Einzelheiten nicht befaßt werden dürfe,
auch häufig das Bedürfnis einer schnellen Entscheidung vorliege.
Mit dem im Absatz 2 des § 6 ausgesprochenen Grundsatz, daß einer Be-
günstigung ausländischer Erzeugnisse vor gleichartigen inländischen Produkten nur
dann nachgegeben werden dürfe, wenn sonst eine erhebliche Benachteiligung
wichtiger inländischer Interessen zu befürchten stehe, war man allseitig einver-
standen. Der Zusammenhang dieser Frage mit der Zoll= und Handelspolitik
des Reiches wurde nicht anerkannt. Nur für den Durchgangsverkehr wurde
von einer Seite eine Erleichterung infofern für wünschenswert erachtet, als für
die Bewilligung von Ausnahmen nicht der Nachweis eines besonderen Vorteils
für inländische wirtschaftliche Interessen verlangt werden, sondern schon der Nach-
weis genügen solle, daß durch die Bewilligung keine Schädigung solcher Inter-
essen hervorgerufen würde. Eine derartige allgemeine Bevorzugung des Transit=
verkehrs wurde indessen angesichts der mitbeteiligten deutschen Interessen für
bedenklich erachtet, auch auf das Mißliche einer zutreffenden Unterscheidung des
direkten und des Durchgangsverkehrs namentlich im Verkehr mit den deutschen
Seehäfen hingewiesen, übrigens auch konstatirt, daß im Sinne des § 6 auch
die Eisenbahninteressen zu den „wirtschaftlichen Interessen des Inlandes“ zu
rechnen seien, und demzufolge eine abweichende Behandlung des Durchgangs-
verkehrs mit großer Mehrheit abgelehnt.
In dringenden Fällen, in denen — namentlich gegenüber der Konkurrenz
fremder Verkehrswege — eine schleunige Entscheidung bedingt ist, soll die Landes-
aufsichtsbehörde im Einverständnis mit dem Reichs-Eisenbahn-Amt vorbehaltlich