— 109 —
„Zur Durchführung der Bestimmungen der Reichsverfassung über das
Eisenbahnwesen bedarf es eines Reichsgesetzes, dessen Erlaß bereits in dem Ge—
setze vom 27. Juni 1873, betreffend die Errichtung eines Reichs-Eisenbahn—
Amts (85), in Aussicht gestellt und im Reichstag wiederholt urgirt worden ist.
Die Entwürfe eines solchen Gesetzes, welche bisher bei dem Reichs-Eisenbahn—
Amt aufgestellt und zur Kenntnis der verbündeten Regierungen gebracht sind,
haben die erforderliche Basis zu einer Verständigung nicht gewinnen lassen. Um
ihrerseits der Erledigung dieser für die Wohlfahrt des Reichs und seiner Glieder
so wichtigen Angelegenheit nach Kräften Vorschub zu leisten, hat neuerdings die
preußische Regierung die anliegenden Entwürfe: 1. eines Reichsgesetzes über das
Eisenbahnwesen, 2. eines Gesetzes über die Errichtung eines Reichs-Eisenbahnrats,
3. eines Gesetzes über die Errichtung eines Verwaltungsgerichts für streitige
Eisenbahnverwaltungssachen ausarbeiten lassen und vertraulich den verbündeten
Regierungen mitgeteilt. Die Meinung ist hierbei jedoch nicht gewesen, daß es
für das weitere Verfahren sich empfehle, im Wege der schriftlichen Verhandlung
das Einverständnis der hohen Regierungen über die bezeichneten Entwürfe herbei—
zuführen; vielmehr ist für zweckmäßig erkannt worden, daß die Aufstellung eines
dem Bundesrat vorzulegenden Entwurfs eines Reichsgesetzes über das Eisen—
bahnwesen einer besonderen Kommissson übertragen werde, welcher die oben be—
zeichneten Entwürfe als Grundlage beziehungsweise Material für die Beratung
zu überweisen sein würden. Dem Ermessen der Kommission würde es dann
zu überlassen sein, ob sie für die Lösung dieser Aufgaben an Stelle der ge—
dachten Entwürfe einen selbständigen Entwurf ausarbeiten und vorlegen will.
Die Kommission würde den Verhältnissen entsprechend zweckmäßig aus 9 Mit-
gliedern zu bilden sein, von welchen je 2 seitens des Reichs und Preußens,
je 1 Mitglied von Bayern, Württemberg, Sachsen, Hessen und Baden zu
ernennen sein möchten. Die Ernennung des Vorsitzenden würde dem Reichs-
kanzler vorzubehalten sein. Auch möchte der zu berufenden Kommission das Recht
einzuräumen sein, in geeigneten Fällen durch Requisition der Reichs= beziehungs-
weise Landesregierungen Material einzuziehen, schriftliche Gutachten zu erfordern und
durch Vernehmung sachverständiger Personen die für erforderlich erachteten thatsäch-
lichen Unterlagen zu beschaffen. Es wird demnach beantragt: Der Bundesrat wolle
die Berufung einer dem vorstehenden Vorschlage entsprechenden Kommission zur
Aufstellung und Vorlage des Entwurfs eines Reichsgesetzes über das Eisenbahn-
wesen beschließen und derselben die anliegenden Gesetzentwürfe als Grundlage
beziehungsweise Material für die Beratung überweisen. Mit Rücksicht auf die
unter dem 7. Februar und 18. März d. J. bei dem Bundesrat eingebrachte
Präsidialvorlage, betreffend das Eisenbahngütertarifwesen, sind in dem Entwurfe
des Gesetzes über das Eisenbahnwesen diejenigen Abschnitte, welche die gesetzliche
Regelung des Tarifwesens enthalten würden — Artikel 29 bis 32 einschließlich
— offen gelassen. Da die Regelung dieser Materie für den Güterverkehr,