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Auf den Bundesrat kam Bismarck wiederum in mehreren Reichstagsreden
zu sprechen. Am 4. März 1879 stellte er in Abrede, daß zwischen Bundesrat
und Reichstag eine Gleichheit bestehe; dieselbe könne daher durch die Vorlage
über die Strafgewalt des Reichstags auch nicht gestört werden. „Wir gehören
ja gar nicht zu der privilegirten Klasse, zu den oberen Vierhundert, wir gehören
zur misera plebs, die unter dem gemeinen Recht steht; jedermann kann gegen
uns klagen, wir sind durch kein Privilegium geschützt. Der Buchdrucker, der
Preßagent, der unsere Reden hier abdrucken läßt, ist durch den Artikel 22 der
Verfassung geschützt, wir nicht, wir sind durch Artikel 30 nicht geschützt,
Artikel 30 bezieht sich ausdrücklich nur auf Reichstagsabgeordnete. Ich habe
im Anfang diesem populären Irrtum mich auch wohl früher hingegeben; seit
ich aber vor den praktischen Geschäften Muße bekommen habe, den Sachen
theoretisch etwas näher zu treten, habe ich gefunden, daß wir vom Bundesrate
nicht geschützt sind gegen jede Klage auf Grund des gemeinen Rechts, und
seitdem bin ich sehr viel vorsichtiger in meinen Aeußerungen geworden.“ In
einer Rede vom 24. Mai 1879 empfahl Bismarck den Bundesrat einem
größeren Vertrauen des Reichstags.
Sehr beachtenswert sind die Bemerkungen, welche Bismarck bei Beratung
des Antrags auf Errichtung einer selbständigen Regierung in Elsaß-Lothringen
am 21. März 1879 im Reichstag gemacht hat. „Eine der schwierigsten
Fragen — äußerte Bismarck — ist die Stellung des Reichslandes zum
Bundesrat. Jede Berechtigung für das Reichsland, Mitglieder des Bundesrats
zu ernennen, wenn sie ebenso ausgeübt werden soll wie für die übrigen Be-
standteile des Reichsgebiets, würde in letzter Instanz nichts weiter sein als eine
Vermehrung der preußischen Stimmen von 17 auf 19 oder 20, je nachdem
man 2 oder 3 nimmt, denn Seine Mojestät der Kaiser kann unmöglich die
bundesrätliche Vertretung für die Reichslande persönlich anders konstruiren
wollen als die für das Königreich Preußen, und für beide beruht die
Bestimmung schließlich auf dem persönlichen Willen und der persönlichen
Entscheidung des Monarchen, sie mag durch ministerielle Verantwortlichkeit
gedeckt oder getragen sein, wie sie wolle. Die preußischen und die elsäs-
sischen Vertreter im Bundesrate würden nicht gegen einander stimmen
können.
Eine Verschiebung der jetzigen Stimmverhältnisse im Bundesrat wäre eine
wesentliche Verfassungsänderung, und ich mag für deren Initiative die Ver-
antwortung nicht auf mich nehmen, ich glaube, sie würde auch wenig Aussicht
auf Erfolg haben; und von den preußischen 17 Stimmen einige an die Reichs-
lande abzutreten, würde eben ja nur rein Formsache sein, da sie doch nicht
anders instruirt werden können als die übrigen 15 oder 14 Stimmen, und
da schon jetzt der Kaiser instruirt, und dabei in seiner Eigenschaft als Inhaber