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Niederwalddenkmal. In Betreff des auf dem Niederwald zu er—
richtenden Nationaldenkmals beschloß der Bundesrat, den bezüglichen Reichstags—
beschluß samt der an ihn gerichteten diesfallsigen Eingabe dem Reichskanzler zu
überweisen, so daß in dem nächstjährigen Reichshaushalts-Etat die beantragte
Subvention erscheinen konnte. 1)
11. Rückblick.
Die achte Session des Bundesrats war reicher an Arbeit als irgend eine
Session zuvor, und, was besonders erfreulich war, die Größe der Erfolge entsprach
der Fülle der angewandten Mühe.
Die erste Frucht des Appells „an das Gewissen der Nation“ war die
Annahme des Sozialistengesetzes. Aus der zweiten Lesung im Reichstag
waren vornehmlich drei Hauptpunkte streitig geblieben: die Frage, ob ein sozial-
demokratisches Blatt erst nach dem Verbot einer einzelnen Nummer oder auch
ohne dasselbe gänzlich verboten werden kann; ferner die Frage, ob sozial-
demokratische Agitatoren auf Grund einer Verurteilung auch aus ihrem Wohn-
orte ausgewiesen werden können; endlich die Frage der Geltungsdauer des
Gesetzes. Es wurde zwischen den für das Gesetz ausschlaggebenden Fraktionen
sowie mit der Regierung eine vertrauliche Vereinbarung dahin erzielt, daß es
in Bezug auf das Verbot der Zeitungen und auf die Geltungsdauer des Gesetzes
bei den Kommissionsvorschlägen verbleiben, in Bezug auf die Ausweisung aus
dem Wohnort aber ein Vermittlungsantrag zur Annahme gelangen sollte.
Außerdem wurde in Betreff der Zusammensetzung der Beschwerdekommission nach
den Wünschen der Regierung und der Konservativen angenommen, daß der
Kaiser den Vorsitzenden und einen Stellvertreter ernennt. In einer Sitzung
des Bundesrats unter dem Vorsitze Bismarcks wurde das vorgängige Ein-
verständnis mit der in Aussicht stehenden Lösung konstatirt. Mit 221 gegen
149 Stimmen, also mit einem Mehr von 72 Stimmen, wurde das Gesetz
angenommen.
Einen von Bismarck dem Bundesrat unterbreiteten Gesetzentwurf,
betreffend die Vollstreckung der Freiheitsstrafen, ließ der Bundes-
rat unerledigt. Ich glaube aber nicht, daß Bismarck sich von dieser Behandlung
irgendwie getroffen fühlte, denn das Justizressort war dasjenige, das ihn am
wenigsten interessirte. Es ist ja nicht zu leugnen, daß er im Laufe der Jahre
viele Schreiben an das preußische Justizministerium und an das Reichs-Justizamt
richtete; es handelte sich aber hierbei meistens um Anfragen, ob gegen eine
1) Bundesratsverhandlungen hinsichtlich eines Uebereinkommens mit Großbritannien
wegen Unterdrückung des Sklavenhandels s. „Nat.-Ztg.“ Nr. 95 v. 26. 2. 79; betreffend
den Abschluß eines Uebereinkommens mit der großbritannischen Regierung wegen der Aus-
lieferung desertirter Mannschaften der Handelsmarine „Post“ Nr. 293 v. 23. 10. 78.