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Weg eingeschlagen hatte, lag darin, daß der Reichstag die Durchberatung der-
selben im Plenum — also ohne Verweisung an eine Kommission — beschloß
und durchführte.
Der Schutz der deutschen Handelsunternehmungen in der
Südsee bildete seit einer Reihe von Jahren den Gegenstand erhöhter Fürsorge
der Reichsregierung, wovon der vor drei Jahren mit den Tongas-Inseln
abgeschlossene Freundschaftsvertrag ein erstes öffentliches Zeugnis gab. Als
ein weiteres Ergebnis jener Fürsorge ließ Bismarck dem Bundesrat in der
gegenwärtigen Session einen Freundschaftsvertrag mit den Samoa-Inseln zugehen.
Die Zahl der Fälle, in denen Preußen im Bundesrat überstimmt wurde,
hat sich in unserer Session um einen vermehrt: bei Gelegenheit der Meinungs-
verschiedenheiten zwischen dem Reichskanzler und der Regierung von Mecklen-
burg-Schwerin über die Veranlagung der Gewerbesteuer für Rübenzuckerfabriken,
namentlich über die Frage, ob dieselbe an die von den Fabrikanten gezahlte
Reichssteuer angelehnt werden könne.
Das Verhältnis Bismarcks zum Bundesrat nahm in unserer Periode zum
erstenmal einen schärfer ausgeprägten Charakter an. Mehrere von dem Kanzler
im Bundesrat eingebrachte Vorlagen scheiterten daselbst an dem Widerspruch
einer partikularistischen Mehrheit; auf der anderen Seite hielt Bismarck einen
vom Bundesrat genehmigten Gesetzentwurf zurück, das heißt, er ließ ihn nicht
an den Reichstag gelangen und vindizirte sich eine Art von Kanzlerveto, das
aber damals nicht zum Bewußtsein gelangte, da der ganze Vorgang, wie es
scheint, gar nicht beachtet wurde.