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liegen, ihre etwaige Ablehnung demselben sogar nicht unerwünscht sein. Quelle
und Tendenz dieser Ausstreuungen liegen für den Einsichtigen sehr zu Tage;
indes gibt es doch noch immer eine ganze Anzahl von Leuten, auf deren
Glauben die Erfinder solcher Gerüchte rechnen dürfen, wenn sie mit der gehörigen
Zuversicht auftreten. Es mag deshalb auch nicht überflüssig sein, wenn wir
auf Grund verläßlicher Informationen versichern, daß diese Gerüchte falsch sind.
Wenn die Kapitalrentensteuervorlage von dem bekannten Standpunkte des
Ministerpräsidenten eines Mangels geziehen werden müßte, so könnte dieser
vielleicht nur der sein, daß sie der präzipualen Besteuerung des in ausländischen
Werten angelegten Kapitals keinen Raum gegönnt hat. Indes, auch hierin
wilrde niemand berechtigt sein, eine Differenz zwischen den Auffassungen des
Ministerpräsidenten und des Finanzministers zu finden, da, soviel uns bekannt
ist, auch der letztere dem Gedanken einer präzipualen Besteuerung der Zinsen
von ausländischen Werten so wenig wie irgend einem anderen Punkte der
nationalen Wirtschaftspolitik des Reichskanzlers entgegen ist. Nur aus finanz-
technischen Rücksichten hat der Minister auf die praktische Verfolgung jenes vom
wirtschaftlichen Standpunkte wichtigen und an sich sehr wohl zu fördernden
Gedankens verzichten zu müssen geglaubt. Diese finanztechnischen Bedenken
sollen wesentlich darin ihren Grund haben, daß nur eine summarische Deklaration
der Rentenbezüge ins Auge gefaßt werden konnte, während die Durchführung
jenes Gedankens eine Spezialisirung erfordern würde, auf welche einzugehen
der Finanzminister Bedenken getragen hat.“
Im Frühjahr 1889 hatte Scholz im Abgeordnetenhause dreimal vor den
Osterferien Bemerkungen in seine Reden eingeschaltet, die zu der Annahme führten,
daß der durch die Thronrede angekündigte Gesetzentwurf, betreffend jene Reform,
demnächst an das Haus gelangen werde. In der Woche nach ÖOstern aber
verbreitete sich das Gerücht, daß der Entwurf auf neue Schwierigkeiten gestoßen
sei, und in der That wurde der Landtag am 30. April nur zu dem Zwecke
wieder versammelt, um alsbald am gleichen Tage noch geschlossen zu werden.
Ein Berliner Blatt bemerkte damals: „Wir haben vor längerer Zeit bereits mit-
teilen können, daß der Gedankenaustausch zwischen dem Fürsten Bismarck und
dem Finanzminister v. Scholz in Bezug auf den Einkommensteuer-Entwurf auf
schriftlichem Wege stattgefunden hat. Wir können nunmehr hinzufügen, daß
dieser Entwurf nicht weniger als siebenmal zwischen dem Reichskanzlerpalais
und dem Finanzministerium hin= und hergewandert ist. Fürst Bismarck hat
seine Ausstellungen und Abänderungsvorschläge in Form ausführlicher Rand-
bemerkungen gemacht, und der Finanzminister hat sich bemüht, auf Grund der-
selben den Absichten des leitenden Staatsmannes gerecht zu werden. Dies soll
ihm indessen trotz seiner anerkannten Fähigkeit, sich einer fremden Auffassung
anzupassen, in diesem Fall so wenig gelungen sein, daß Fürst Bismarck keinem