Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

— 140 — 
der ihm vorgelegten Entwürfe zustimmen zu können erklärte. Insbesondere soll 
Fürst Bismarck gegen die Selbsteinschätzung gewesen sein, die er als einen völlig 
unberechtigten, zur allgemeinen Unzufriedenheit Anlaß gebenden Eingriff in die 
Privatverhältnisse bezeichnet haben soll. Finanzminister v. Scholz soll dagegen 
die Ansicht vertreten haben, daß eine gerechtere Verteilung der direkten Steuern als 
bisher ohne jenen Deklarationszwang nicht durchführbar sei.“ Schon damals hieß 
es, die Stellung von Scholz sei erschüttert, er trage sich mit Rückzugsgedanken 1). 
Anfangs September 1889 bezeichnete die „Nord. Allg. Ztg.“ die Nach- 
richten, betreffend den Rücktritt des Finanzministers v. Scholz, als müßige Er- 
findungen. Herr v. Scholz sei augenleidend und habe zur Wiederherstellung 
seiner Gesundheit einen längeren Urlaub angetreten. Von einem Rücktritt des 
Ministers sei in amtlichen Kreisen nichts bekannt.2) 
  
  
1) Zu der Ernennung des Herrn v. Scholz zum Sekondlieutenant führte die „Nation" 
im März 1889 unter anderem Folgendes aus: „Daß einer der höchsten Beamten Preußens, 
ein unmittelbarer Ratgeber der Krone, auf seine alten Tage noch sich unter die eben aus 
dem Kadettencorps entlassenen jüngsten Lieutenants mischen und überhaupt in irgend welche 
lebendige Beziehung zur Armee treten könnte, das scheint uns nicht gut denkbar; so zeigt 
sich denn hier mit einer Deutlichkeit, die den Charakter der Neuerung aufweist, daß die 
Beförderung des Herrn v. Scholz zum Sekondlieutenant der Verleihung eines Titels sehr 
nahekommt. Offizier sein war bisher etwas anderes als Kommerzienrat heißen; mag man 
nun auch den beiden Prädikaten je nach Geschmack und Neigung ein sehr verschiedenes 
Gewicht beilegen, in ihrem Grundcharakter haben sie sich genähert, und das ist ein Vorgang, 
der im preußischen Militärstaat wohl bemerkt zu werden verdient. Worauf wir soeben hin- 
gewiesen haben, das mag man als die inneren Folgen der Ernennung bezeichnen; die äußere 
Absicht ist freilich, wie man annehmen muß, eine andere gewesen, und auch sie erfordert 
Beachtung. Wenn ein Minister als Auszeichnung zum Sekondlieutenant ernannt wird, 
so folgt daraus, daß selbst die höchste Stellung außerhalb der Armee noch durch die niedrigste 
Offiziercharge in der Armee neuen Glanz erlangen kann. Das ganze bürgerliche Leben unseres 
arbeitsamen Jahrhunderts erscheint demnach der Heeresinstitution untergeordnet; und das 
Militär ist nicht mehr ausschließlich ein Instrument, dessen sich die bürgerliche Gesellschaft be- 
dient, um in gesichertem Frieden zur höchsten Blüte sich entwickeln zu können, sondern der 
Soldat repräsentirt vielmehr schon in eigener Person diese höchste Blüte des modernen Staates.“ 
2) Um diese Zeit wußte das „Berliner Tageblatt“ zu erzählen, „daß zunächst der 
Steuerreform-Entwurf, welchen derselbe dem Staatsministerium vorlegte, vom Reichskanzler 
mit etwa zwanzig Monitis bedacht wurde. Diese Monita wurden in eingehender Beratung 
durch Abänderungen hinfällig gemacht. Doch erklärte Fürst Bismarck hierauf, er trage 
gleichwohl Bedenken, vor den Neuwahlen zum Reichstage diesen Entwurf bekannt zu geben. 
Herr v. Scholz widersprach dieser Ansicht in ziemlich pointirter Weise, und die Veranlassung 
zu dem Frage= und Antwortspiel, das seit einigen Monaten die Gemüter beschäftigt, war 
gegeben. Neuerdings hat man allerdings Versuche gemacht, Herrn v. Scholz zum Verharren 
zu veranlassen, und mag dabei wohl von dem Gefühle geleitet worden sein, daß es schwer 
sei, einen Nachfolger zu finden, der geneigt wäre, den bequemen Oberpräsidentenstuhl mit 
der Last des Ministerpostens zu vertauschen, zumal die Erbschaft des Herrn v. Scholz wenig 
Verlockendes hat. Immerhin braucht man aber während des sechsmonatlichen Augenleidens 
des Herrn v. Scholz, das sich bis in den Februar k. J. hineinerstrecken dürfte, jenes Gesetz 
nicht vor den preußischen Landtag zu bringen.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.