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Scholz nahm auch wirklich bereits in den ersten Tagen des Oktober 1889
die Geschäfte seines Ressorts in vollem Umfange wieder auf. Die Absicht des
Finanzministers zum Rücktritt von seinem Amte war aber damit nicht aufgegeben.
Es handelte sich vielmehr nur um ein Provisorium, bis ein neuer Träger des
Finanzportefeuilles gefunden war.
Unrichtig war aber jedenfalls, wenn erneuert von einem entschiedenen
Gegensatz zum Fürsten Bismarck als dem eigentlichen Grunde gesprochen wurde.
Mag in einzelnen Fragen eine Verschiedenheit der Meinungen zwischen beiden,
wie solches natürlich bei jedem Ressort vorkommt, zu Tage getreten sein, so war
dieselbe doch keineswegs grundsätzlicher Art gewesen, so daß ein weiteres Zu-
sammenarbeiten nicht mehr möglich war. Man geht vielmehr in der Annahme
gewiß nicht fehl, daß Bismarck auf die fernere Mitwirkung eines so erfahrenen
und tüchtigen Mitarbeiters gewiß nur höchst ungern verzichtete. Es hat daher
auch wohl nicht an Versuchen desselben gefehlt, Herrn v. Scholz abermals zum
Verbleiben im Amte zu bestimmen. 1)
Die Thätigkeit des Staatsministers Scholz im Bundesrat steigerte sich, als
derselbe Mitte Juni 1883 von dem Reichskanzler mit der generellen Stellver-
tretung desselben betraut wurde und infolgedessen auch den regelmäßigen
Vorsitz im Bundesrat übernahm. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 28 vom
18. Januar 1883 brachte hierüber das nachstehende Entrefilet: „Der durch
Ueberarbeitung hervorgerufene Krankheitszustand des Herrn Staatssekretärs des
Innern v. Boetticher und des Herrn Staatssekretärs des Reichsschatzamts Burchard
läßt befürchten, daß dieselben noch längere Zeit sich von den Geschäften werden
fern halten müssen, und es ist daher eine interimistische Regelung der Stell-
vertretung des Reichskanzlers, welcher selbst noch leidend ist, notwendig geworden.
Se. Majestät der Kaiser hat den preußischen Herrn Finanzminister für die
Dauer der Krankheit des Herrn v. Boetticher mit der generellen Stellvertretung
des Reichskanzlers in den Reichskanzler-Geschäften betraut. Fürst Bismarck hat
mit Herrn Scholz gestern 2) eine längere Besprechung über die Behandlung der
Reichsgeschäfte gehabt."“
Auf Grund dieser generellen Substitution führte Scholz den Vorsitz im
Bundesrat in Vertretung des Reichskanzlers vom 20. Januar bis 11. Mai
1883 in 19 Sitzungen.
Scholz gehört zu den wenigen Ministern, welche bei der Bismarckkrifis
ihm kräftig zur Seite standen. Nur er und Maybach stellten bei Bismarcks
Entlassung ihre Portefeuilles zur Verfügung, von der richtigen Ansicht
1) Fürst Bismarck soll erklärt haben, jeder Ministerwechsel sei zur Zeit zu vermeiden,
und da der augenblickliche Gesundheitszustand des Herrn Finanzministers diesem die Wahr-
nehmung der Geschäfte gestatte, so empfehle sich das Absehen von jedweder Erörterung
einer Angelegenheit, die als eine dringende nicht mehr aufgefaßt zu werden brauche.
2) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt.