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Bundesrat Geltung zu verschaffen im stande sein wird. Ich halte das nicht
für einen Fehler, sondern für einen Gewinn, wenn es der Fall sein wird, und
glaube nicht, daß deshalb, weil ein konsultatives Votum schon an sich Be—
deutung hat, das Bedürfnis, das konsultative in ein dezisives zu verwandeln,
so dringend sein wird, daß man ihm nicht widerstehen könnte, und wenn es
noch so dringend wäre, wird man ihm widerstehen.“
In das Detail wollte Bismarck erst eintreten, wenn der Gedanke sich zu
einer Gesetzesvorlage verdichtet habe. Inwieweit dies geschah, wird weiter unten
auszuführen sein.
Komisch war die in den Spalten der liberalen Blätter zur Zeit der Zoll—
tarifreform mit besonderer Emphase aufgeworfene Frage, wie man die liberale
Gesetzgebung der letzten zehn Jahre anklagen könne, da doch in diesem ganzen
Zeitraum Fürst Bismarck die Reichsgeschäfte mit nahezu unbeschränkter Macht-
vollkommenheit geleitet habe. Die „Magdeburger Zeitung“ berief sich auf die
Weigerung des Fürsten, dem Begehren nach Diäten Folge zu geben, desgleichen
auf die Punkte, welche er bei der Strafprozeßordnung durchgesetzt, um daraus
zu folgern, daß er ebensogut die gesamte liberale Gesetzgebung der letzten zehn
Jahre hätte zurückweisen können, wenn er nur gewollt hätte. „Wenn dies
geschehen wäre,“ so ließ Bismarck erwidern, „so hätten wir uns zehn Jahre
lang im Zustand des Konflikts befunden und der Bruch mit der nationalliberalen
Partei hätte sich schon vor zehn Jahren vollziehen müssen, oder die Aussöhnung
mit der liberalen Partei, welche nach den Ereignissen von 1866 erfolgte, hätte
nie Platz greifen können. Die Thatsache wird bei aufrichtiger Beurteilung
unumstößlich bleiben, daß die Reichsregierung in den letzten zehn Jahren ihrer
Ueberzeugung große Opfer zugemutet hat, um die Unterstützung der national-
liberalen Partei nicht zu entbehren. Wenn sie heute findet, daß nach den
gemachten Erfahrungen die Opfer zu groß werden, so ist es mehr als seltsam,
für die Opfer, welche die Regierung zehn Jahre lang dem inneren Frieden
gebracht, sie in der Weise verantwortlich zu machen, als habe sie zehn Jahre
lang alles thun können, was sie wollte, und als ob sie mit absoluter Macht-
vollkommenheit regiert hätte."“
Bei der Auflösung des Reichstags und der Ausschreibung
neuer Wahlen war der entscheidende Gesichtspunkt der Wunsch, unter den
399 Mitgliedern eine möglichst starke, sichere und zuverlässige Mehrheit zur
Durchbringung der wirtschaftlichen Pläne Bismarcks und zur Vereinbarung von
Maßregeln zu gewinnen, durch welche die sozialdemokratische „Schule des Ver-
brechens“ demnächst geschlossen werden sollte. Die Regierung konnte mit dem
Ergebnis der Neuwahlen zufrieden sein. Es wurden gewählt: