Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

— 149 — 
Alle diese Verschärfungen werden, nachdem einmal die mildere Form in 
allen Zeitungen gleichzeitig bekanntgegeben, denselben also wohl amtlich mit- 
geteilt ist, im Reichstag sehr viel weniger Aussicht haben, als der Fall sein 
könnte, wenn eine mildere Form nicht amtlich bekannt geworden wäre. Die 
Vorlage, wie sie jetzt ist, wird praktisch dem Sozialismus nicht Schaden thun, 
zu seiner Unschädlichmachung keinesfalls ausreichen, namentlich da ganz zweifellos 
ist, daß der Reichstag von jeder Vorlage etwas abhandelt. Ich bedaure, daß 
meine Gesundheit mir absolut verbietet, mich jetzt sofort an den Verhandlungen 
des Bundesrats zu beteiligen, und muß mir vorbehalten, meine weiteren Anträge 
im Bundesrat im Hinblick auf die ordentliche Reichstagssession im Winter zu 
stellen. v. Bismarck.“ 
Die „Hamburger Nachrichten“ Nr. 149 vom 27. Juni 1894 bemerkten 
bei Mitteilung dieses zuerst von den „Berliner Neuesten Nachrichten“ veröffent- 
lichten Briefes: „Das Schreiben ist deshalb von besonderem Interesse, weil daraus 
hervorgeht, daß Fürst Bismarck weit davon entfernt war, das Sozialistengesetz 
von 1878 für ausreichend zu halten und auf die Wirkung der damaligen 
Vorlage große Erwartungen zu setzen. Es ist sehr zu bedauern, daß das 
ebenso interessante als lehrreiche Schriftstück nicht im Frühling 1890 an die 
Oeffentlichkeit gelangt ist, zu einer Zeit, als über die Fortdauer des Sozialisten- 
gesetzes entschieden wurde. Diejenigen, welche damals das Gesetz fallen ließen, 
weil es ja ohnehin nicht die erwartete Wirkung gehabt habe, und dabei diese 
Unfruchtbarkeit selbstverständlich als ein Verschulden des Fürsten Bismarck hin- 
stellten, werden sich nun wohl — leider nachträglich — überzeugen, daß dem 
ersten Reichskanzler ein wesentlich anderes und wesentlich durchgreifenderes 
Sozialistengesetz vorgeschwebt hat, als dasjenige war, mit welchem der Reichstag 
im Herbst 1878 befaßt wurde."“ 1) 
Von sonstigen Erlassen Bismarcks an Tiedemann, deren Zahl natürlich 
groß ist, ist nur noch derjenige vom 16. November 1880 bekannt, betreffend 
die gesetzliche Regelung der Unfallversicherung, welchen ich in meinen „Akten- 
stücken zur Wirtschaftspolitik des Fürsten Bismarck“ veröffentlicht habe. 
Am 1. Oktober 1881 schied Tiedemann aus seiner Berliner Stellung 2) 
und übernahm das Regierungspräsidium in Bromberg. Er hatte diese Ver- 
änderung nachgesucht, weil die Arbeit ihn körperlich aufrieb, und weil er in 
seiner bisherigen Stellung gezwungen war, seine Familie zu vernachlässigen. 
Charakteristisch ist, daß er in einem halben Jahre nur zweimal abends zu 
1) Vgl. über diesen Brief Bismarcks an Tiedemann auch noch den „Beobachter"“ 
(Stuttgart) Nr. 149 v. 29. 6. 94, „Berliner Börsen-Courier“ Nr. 296 v. 28. 6. 94, 
„Kölnische Volkszeitung“ Nr. 390 v. 2. 7. 94, „Berliner Neueste Nachrichten“ Nr. 338 
v. 5. 7. 94, „Nat.-Ztg.“ Nr. 381 v. 28. 6. 94. 
2) Zur Verabschiedung von Bismarck begab sich v. Tiedemann in den ersten Tagen 
des Oktober 1881 nach Varzin. In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.