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gelegenheit bis Ende nächster Woche zum Abschluß gebracht sein wird. Wie
derselbe sich gestalten werde, ist schwer vorauszusehen, indes möchte ich doch
kaum bezweifeln, daß der Antrag, so wie er gestellt ist, nicht angenommen und
die Substitutionsbefugnis — wenn auch mit einiger Beschränkung — aufrecht-
erhalten werden muß. Geschähe es nicht, so wären wir Kleinen allerdings sehr
übel daran.
*
Berlin, den 21. April 1880.
An Frau Wanda v. Koethe.
Die Dinge nehmen einen besseren Verlauf, als zu erwarten stand. Der
Herr Reichskanzler scheint doch selbst noch zu der Einsicht gekommen zu sein,
daß es nicht im preußischen Interesse liege, den kleinen Staaten die Stimm-
gebung zu erschweren und sie im Bundesrat mehr oder weniger zum Schweigen
zu verdammen. Morgen steht die erste Lesung des Antrages, betreffend die
Revision der Geschäftsordnung des Bundesrats, auf der Tagesordnung; die von
beiden Referenten dazu gestellten Anträge schwächen die ursprüngliche Vorlage,
namentlich in Bezug auf die für uns Kleinen daraus resultirenden Schwierig-
keiten, sehr erheblich ab, und da Fürst Bismarck sich bereits mit denselben ein-
verstanden erklärt hat, so ist wohl mit Sicherheit zu erwarten, daß sie ohne
wesentliche Aenderungen werden angenommen werden. Die zweite Lesung wird
wahrscheinlich Dienstag stattfinden; ich hoffe daher Mittwoch abreisen zu können.
8. Hamburg.
Senator Dr. Versmann.)
(geboren 7. Dezember 1820).
Als der Senator Dr. Kirchenpauer, welcher die freie und Hansestadt Hamburg
seit 1867 im Bundesrat vertreten hatte, durch das Schreiben Bismarcks an den
Bundesrat, d. d. 19. April 1880, betreffend die Einverleibung der Stadt Altona
und eines Teiles der hamburgischen Vorstadt St. Pauli in das Zollgebiet, völlig
überrascht wurde — er erfuhr von diesem Hamburgs Interessen auf das In-
tensivste berührenden Schritte nicht früher als die übrigen Kollegen im Bundes-
rat —, schrieb derselbe sofort nach Hamburg und bat, ihn seiner Berliner Funk-
1) Dr. Versmann, geboren zu Hamburg, besuchte — nachdem er Ostern 1839 die
Maturitätsprüfung bestanden hatte — das Akademische Gymnasium zu Hamburg, die Uni-
versitäten Jena, Göttingen und Heidelberg, um anfänglich Medizin, dann Rechts= und
Staatswissenschaften zu studiren, und wurde Michaelis 1844 von der Universität Heidelberg
zum Doctor juris promovirt. 1844—1851 Advokat in Hamburg; 1851—1861 Vizepräses
und Präses des Handelsgerichts; 1860 und 1861 Präsident der Bürgerschaft in Hamburg:
1861 zum Senator erwählt, war er Bürgermeister in den Jahren 1887, 1888, 1890, 1891,
1893, 1894, 1896 und 1897.