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30. November 1874 an den damaligen Regierungspräsidenten Bitter in Schleswig
richtete: 1)
„Ew. Hochwohlgeboren sage ich für die freundliche Begrüßung, die Sie
mir bei Gelegenheit meines Eintritts in den Verband des Ihnen unterstellten
Regierungsbezirks ausgesprochen haben, meinen verbindlichsten Dank und freue
mich, bei dieser Gelegenheit unsere seit frühem Lebensalter bestehende persönliche
Beziehung zu erneuern.
v. Bismarck.“
Die Ernennung Bitters zum Finanzminister ist auf die persönliche Initiative
Bismarcks zurückzuführen.:) Als dieselbe bekannt wurde, gab es viel Spott
in der liberalen Presse. Man brachte — als die einzigen aus dem Vorleben
des neuen Finanzministers bekannten Thatsachen — die Titel seiner musikalischen
Werke. „Es ist nicht abzusehen — erwiderte die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“
(Nr. 274 vom 11. Juli 1879) — worauf dieses absprechende und übelwollende
Urteil sich gründet, keinenfalls aber auf bekannte Thatsachen hinsichtlich des
Charakters und der Vorbildung des neuen Ministers. In letzter Beziehung ist
darauf hinzuweisen, daß ein Mann, welcher jahrelang Dirigent von Finanz-
abteilungen bei den Regierungen und später Präsident zweier der größten
Provinzialregierungen gewesen ist, doch jedenfalls die Voraussetzung einer ge-
nügenden geschäftlichen Vorbildung für das Ministerium besitzt. Die meisten
früheren Finanzminister, und zwar die tüchtigsten unter ihnen, haben lediglich
dieselbe Vorbildung gehabt."“
Auch in der Folge wurden über die Stellung des Finanzministers Bitter
in der Presse systematisch ungünstige Gerüchte verbreitet. Bald war von Diffe-
renzen mit dem Reichskanzler, bald von Bestrebungen konservativer Partei-
führer, die Stellung des Finanzministers zu untergraben, die Rede. Dies gab
dem Kanzlerblatt noch einmal Anlaß, für den bedrängten Finanzminister eine
Lanze zu brechen. „Daß bezüglich der Behandlung des Steuererlasses und des
1) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt. 21. Oktober 1880 Besuch Bitters
in Friedrichsruh. «
2) Nach seiner Ernennung erschien in der „Nordd. Allg. Ztg.“ das nachstehende
Entrefilet: Es ist bereits vor einigen Tagen darauf hingewiesen worden, daß der Reichs-
kanzler und Präsident des Staatsministeriums sich über die wegen des Ersatzes für die
ausscheidenden Minister Sr. Majestät dem Kaiser und Könige zu machenden Vorschläge
mit sämtlichen Mitgliedern des preußischen Staatsministeriums zuvor verständigt habe.
Wenn neuerdings hiesige Blätter berichten, daß der Minister des Innern von der Be-
rufung des bisherigen Unterstaatssekretärs Bitter zum Finanzminister erst als von einer
vollendeten Thatsache Kenntnis erhalten habe, so ist dies ebenso unrichtig wie die daran
geknüpfte Behauptung, daß der Minister des Innern damit umgehe, ein Entlassungsgesuch
einzureichen. Nicht minder unbegründet ist die weitere Angabe, daß zwischen dem Minister
des Innern und dem bisherigen Unterstaatssekretär in seinem Ministerium, dem jetzigen
Finanzminister, ein irgendwie gespanntes Verhältnis bestanden habe oder bestehe.