— 172 —
tionen zu entheben, weil ihm die zolltechnischen Kenntnisse, die demnächst im
Bundesrat unentbehrlich waren, fehlten. Als seinen Nachfolger ernannte Hamburg
den Senator Dr. Versmann.
Dr. Versmann hatte bisher im Bundesrat noch nicht gewirkt, Berlin aber
war ihm seit 1867 wohl bekannt. Seit Gründung des Norddeutschen Bundes
hatten ihn zahlreiche Fragen, welche zwischen Preußen resp. dem Reich und
Hamburg spielten, in die Reichshauptstadt geführt, insbesondere Steuerfragen
und die neue Begrenzung des hamburgischen Freihafengebiets, welche bis zum
Zollanschluß von 1888 bestanden hat. Das erste Kommissorium nach Berlin
erhielt Versmann während der ersten Session des Bundesrats des Norddeutschen
Bundes (1867), und zwar handelte es sich damals um die erste Feststellung der
statt der Zölle und Verbrauchssteuern für die nicht zum Zollverein gehörigen
Bundesstaaten und Gebietsteile zu zahlenden Aversionalsummen.
Nach Art. 38 der Bundesverfassung hatten die außerhalb der gemein—
schaftlichen Zollgrenze liegenden Gebiete zu den Bundesausgaben durch Zahlung
eines Aversiums beizutragen. Ueber die Höhe der von den Hansestädten zu zah-
lenden Aversen fanden Verhandlungen statt zwischen Kommissaren der Städte
und des preußischen Finanzministers von der Heydt, aus denen Lübeck bald
ausschied. Die beiden anderen Hansestädte erboten sich, für die Bevölkerung
der Städte und Vorstädte den 1 ½ fachen Betrag des auf den Kopf der Be-
völkerung im Zollverein fallenden Betrages an Zöllen und Rübenzuckersteuer zu
bezahlen, wogegen sie sich rücksichtlich der übrigen Abgaben, und soviel die Land-
bevölkerung anlangte, zu einem Mehreren als dem einfachen Kopfbetrage dieser
Abgaben im Zollvereine nicht verstehen wollten. Dies schien Preußen nicht aus-
reichend. Zunächst verhandelten die hansestädtischen Kommissare mit dem Finanz-
minister von der Heydt, fanden aber bei demselben so wenig Entgegenkommen,
daß sie sich entschlossen, Bismarck, bei dem sie größere Gesichtspunkte voraus-
setzen durften, um eine Audienz zu bitten, welche bereitwillig erteilt wurde und
am 20. August 1867 stattfand.
Versmann hatte Bismarck bisher nur nach Photographien gekannt und
war deshalb gespannt, den Gründer des Norddeutschen Bundes, dessen Ruhm
schon damals in allen Weltteilen feststand, persönlich kennen zu lernen. Der
Empfang fand in dem Hause Wilhelmstraße 76, dem alten Ministerhotel Bismarcks,
statt, dessen Räume für den seit 1866 erweiterten Geschäftsbetrieb schon damals
nicht mehr ausreichten. Die Herren wurden in einen nach der Wilhelmstraße
liegenden Saal geführt, wo sie von dem Neffen des Bundeskanzlers, dem
Grafen v. Bismarck-Bohlen empfangen wurden. Nach einiger Zeit öffnete sich
eine Tapetenthür, und im Rahmen derselben erschien die mächtige Gestalt
Bismarcks, welcher dem soeben empfangenen russischen Botschafter Grafen Oubril,
einem kaum fünf Fuß hohen Diplomaten, das Geleite gab. Der Eindruck, den
Versmann empfing, war wesentlich anders als der, den er sich bisher nach