Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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sträflingen, Gefängnissträflingen und sogenannten qualifizirten Haftsträflingen 
gegenüber, unter welchen letzteren namentlich Zuchtlosigkeit und Renitenz sehr 
häufig zu beobachten sei, auf die Androhung einer Strafe zu verzichten, welche von 
vielen dieser Sträflinge ihrer Lebensgewöhnung zufolge allein noch als ein Uebel ge— 
fürchtet und empfunden werde. Die im allgemeinen beobachtete Zunahme der Roheit 
und Zuchtlosigkeit habe auch in Arbeitsanstalten neuerdings zur Wiedereinführung 
der körperlichen Züchtigung Anlaß gegeben. Hierzu komme noch die notwendige 
Rücksicht auf die exzeptionelle Beschaffenheit der Bevölkerung mancher Straf- 
anstalten Deutschlands, zum Beispiel der See= und Hafenstädte, in denen vielfach 
Nichteuropäer zu detiniren seien, bei welchen ihrem Bildungsstande entsprechend 
die Möglichkeit, körperliche Züchtigung anzuwenden, nicht entbehrt werden könne. 
Bei der Abstimmung blieben sämtliche gestellten Abänderungsanträge in der 
Minderheit, und die Vorschläge des Entwurfs erlangten die Mehrheit. Da man 
jedoch die Richtigkeit des oben erwähnten, aus § 41 abgeleiteten Bedenkens nicht 
verkennen konnte, so beschloß man zugleich, den an sich als zweifellos betrachteten 
Satz, daß die Beschwerde gegen Verfügungen der Gefängnisverwaltungs= und 
Aufsichtsbehörden keine aufschiebende Wirkung habe, nicht ausdrücklich im Gesetz 
auszusprechen, sondern klarzustellen, daß es bei der Verhängung von Disziplinar- 
strafen dem pflichtmäßigen Ermessen des Gefängnisvorstandes überlassen bleibe, 
ob er es für angezeigt halte, durch Einwendung einer Beschwerde sich an der 
Vollstreckung der Strafe behindern zu lassen. Endlich war man einstimmig der 
Ansicht, daß die in § 39 des Entwurfs nachgelassene Anwendung des Zwangs- 
stuhls eine grausame und unnötige Maßregel enthalte, deren Zweck — Ueber- 
wältigung von thätlicher Widersetzlichkeit oder von Tobenden — schon durch 
Anlegung der Zwangsjacke oder durch Fesselung erreicht werden könne, weshalb 
man die Streichung jenes Zwangsmittels zu empfehlen beschloß; man fand 
aber einstimmig für nötig, die Zulässigkeit der Fesselung zu gleichem Zwecke 
sowie als Sicherungsmaßregel, zum Beispiel gegen Fluchtversuche oder gewalt- 
same Angriffe, in Anerkennung des durch wiederholte Erfahrungen hervor- 
getretenen Bedürfnisses, ausdrücklich im Gesetze auszusprechen. 
Ueber das Schicksal dieses Ausschußberichts hat nichts verlautet.1) 
Sozialistengesetz. Am 11. Februar 1880 beantragte Bismarck die 
Zustimmung des Bundesrats zu folgendem Gesetzentwurf: „Die Dauer der 
Geltung des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozial- 
demokratie vom 21. Oktober 1878 wird unter Abänderung des § 30 dieses 
Gesetzes bis zum 31. März 1886 hierdurch verlängert.“7) 
  
1) Bundesratsvorlagen respektive Verhandlungen über die Geschäftsordnung des Reichs- 
gerichts s. „Nat.-Ztg.“ Nr. 53 v. 1. 2.80, Auslieferungsvertrag mit Uruguay Nr. 173 v. 14. 4. 80. 
2) Motive der Kanzlervorlage s. „Nat.-Ztg.“ Nr. 71 v. 12. 2. 80, „Nordd. Allg. Ztg." 
Nr. 71 v. 12. 2. 80.
	        
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