Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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verwendet worden sind. — 8 2. Gegenwärtige Verordnung tritt mit dem 
Tage ihrer Verkündigung in Kraft.“ 
Dieser Entwurf erhielt in der Sitzung des Bundesrats vom 30. Oktober 
1879 die Zustimmung. Verordnung vom 31. Oktober 1879 (Reichs-Gesetzbl. 
S. 303). 
2. Bundesrat. 
Bundesratskrisis. Revision der Geschäftsordnung des Bun- 
desrats. In der Sitzung des Bundesrats vom 3. April 1880 fand bei Fest- 
stellung des Gesetzentwurfs, betreffend die Erhebung von Reichs-Stempelabgaben, 
über die Frage, ob Quittungen über Postanweisungen und Postvorschußsendungen 
der Stempelabgabe zu unterwerfen seien, eine Abstimmung statt, bei welcher die 
Majorität von 30 Stimmen eine Bevölkerung von 7½ Millionen, die Minorität 
von 28 Stimmen eine Bevölkerung von über 33 Millionen repäsentirte. 
Im Wege der Substitution befanden sich 16 Stimmen der kleineren Staaten 
in den Händen zweier Mitglieder des Bundesrats. Infolge dieser Vorgänge 
reichte der Reichskanzler sein Entlassungsgesuch bei dem Kaiser amtlich ein mit 
der Motivirung, daß er den gegen Preußen, Bayern und Sachsen gefaßten 
Majoritätsbeschluß weder vertreten noch in seiner Stellung als Reichskanzler 
von dem Benefizium, welches Art. 9 der Reichsverfassung der Minorität gewähre, 
Gebrauch machen könne.1) 
Den Bismarck unangenehmen Beschluß über den Outittungsstempel zu be- 
seitigen, lag dem Fürsten Bismarck vielleicht weniger am Herzen, als die Miß- 
stände wegzuräumen, welche es gestatteten, daß dieser Beschluß formell zu stande 
kommen konnte. Es handelte sich dabei um zweierlei: um die Majorisirung der 
drei größten Staaten des Reichs durch alle übrigen und um den Uebelstand 
der gehäuften Substitutionen. 
Diese beiden Umstände standen aber in einem gewissen Kausalzusammenhang. 
„Eine kompakte Majorität der Kleinstaaten“ — so bemerkte treffend die „National- 
Zeitung“ — „wäre wohl nicht einmal in Frage gekommen, wenn jeder einzelne 
Gesandte auf dem Platze gewesen wäre. Allerdings handeln und stimmen die 
Gesandten nach den Instruktionen ihrer Regierungen; aber einerseits erscheint 
es uns wahrscheinlich, daß diese Instruktionen nicht für alle Zwischenfälle er- 
schöpfend sein können, sondern dem subjektiven Ermessen einen Spielraum lassen. 
  
1) Vgl. oben S. 130. Nach einer Ausführung der „Schles. Ztg.“ entspricht es dem 
Geiste unserer Verfassungsverhältnisse, daß der Reichskanzler eine ungünstige Abstimmung 
im Bundesrate mit einem Demissionsgesuche beantwortet, wogegen er den Abstimmungen 
im Reichstage gegenüber niemals die Kabinetsfrage stellen könne. Art. 9 der Reichs- 
verfassung lautet: „Jedes Mitglied des Bundesrats hat das Recht, im Reichstage zu er- 
scheinen, und muß daselbst auf Verlangen jederzeit gehört werden, um die Ansichten seiner 
Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben von der Majorität des Bundesrats 
nicht adoptirt worden sind.“
	        
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