allzusehr zurücktreten sollten; auch in dieser Beziehung hat sich der Minister
einer „dilatorischen Behandlung“ ausgesetzt gesehen. Es bedurfte nur eines
letzten äußeren Anlasses, um seinen feststehenden Entschluß, seinen Abschied zu
fordern, zur Reife zu bringen.“
Als ein solcher äußerer Anlaß wurden mehrere Momente angeführt. Nach
einer Version soll Bismarck am 16. Juni 1882 an den Finanzminister Bitter
ein Schreiben gerichtet und darin angefragt haben, weshalb Bitter in der
Sitzung des Reichstags vom 15. Juni auf die Bemerkungen des Abgeordneten
Rickert 1) nicht geantwortet und völlig stillschweigend sich verhalten habe; auch
auf die gänzliche Nichtbeteiligung des Finanzministers an der Monopoldebatte
soll Bezug genommen worden sein. Nach der „Tribüne“ legte der Reichs-
kanzler bei dem Vortrage, den er dem Kaiser bei dessen Abreise hielt, demselben
den Entwurf einer Ordre an das Staatsministerium vor, welche die Auf-
forderung enthielt, Anstalten zu treffen, um die gegenwärtige Klassensteuer zu
beseitigen und behufs Ersatzes derselben Vorschläge zu machen. Diese Ordre
ging, vom Kaiser unterzeichnet, durch den Ministerpräsidenten an die einzelnen
Minister und in dieser fertigen Gestalt auch an den Finanzminister, der vorher
keine Ahnung von diesem Vorgang gehabt hatte. Gleichzeitig erhielt derselbe
die schon bekannte Aufforderung zur Berichterstattung über die Steuerexekutionen.)
Sofort bei Empfang dieser Aktenstücke, so schreibt das genannte Blatt, sandte
Herr Bitter sein Entlassungsgesuch ein. s) «
1) Gegenüber den Angriffen des Reichskanzlers, daß die Mehrheit des Abgeordneten-
hauses die Beratung des Verwendungsgesetzes verzettelt, hatte Abgeordneter Rickert in der
betreffenden Rede erklärt: „Als ich damals dem Finanzminister in solcher Situation, als
der Reichstag bereits hier versammelt war, nachdem man uns moanatelang hatte sitzen
lassen, ohne das Verwendungsgesetz einzubringen, erklärte, wir seien mit unseren Kräften
am Ende, da antwortete der Finanzminister: Ja, das sind wir auch.“ An einer anderen
Stelle bemerkte Rickert: „Der Reichskanzler hat gesagt, nur Unkenntnis und Mangel an
Erfahrung können behaupten, es gäbe in Preußen Familien, die mit 140 Thaler Ein-
kommen auskommen. Diese Aeußerung muß für den Finanzminister ein Stich ins Herz
sein, indem er darnach dulden würde, daß 6 Millionen Censiten von der Steuer zu Un-
recht frei sind.“
Auch die Opposition, welche Bitter durch sein zögerndes und halb widerwilliges Ver-
halten den Bestrebungen des Ministers Maybach in Betreff der Verstaatlichung der Bahnen,
des Baues neuer Bahnen und Kanäle gegenüber machte, trug zur Verstimmung Bismarcks
bei. Und so wollte man in der rückhaltslosen Anerkennung der Maybachschen Politik im
Reichstag eine deutliche Spitze gegen Bitter erblicken.
2) Wegen der Steuerexekutionen im zweiten Vierteljahr 1882 vgl. die „Nordd.
Allg. Ztg.“ Nr. 601 v. 23. 12. 82 und Nr. 603 v. 24. 12. 82. Gerüchte über den Grund
des Ausscheidens Bitters aus dem Finanzministerium „Post“ Nr. 165, 167, 173 von 1882,
„Voss. Ztg.“ Nr. 281 v. 20. 6. 82 u. Nr. 291 v. 25. 6. 82. „Das letzte Opfer“ (7).
Deutsche Revue, VII. Jahrg., III. Bd., S. 137.
3) Vgl. die „Post“ v. 1. 7. 82.