Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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Staaten irgend zu rühren; der Kaiserliche Erlaß gibt nicht die entfernteste Hand- 
habe zu einer anderen Auffassung. Wir erklären uns die Betonung des Miß- 
verhältnisses zwischen der Zahlenbedeutung der jüngsten Mehrheit und Minder- 
heit des Bundesrats im Demissionsgesuch des Reichskanzlers respektive in der 
Note der „Nordd. Allg. Ztg.“ lediglich als einen Hinweis an die Kleinstaaten, 
den Pflichten besser zu entsprechen, welche ihre Rechte ihnen auferlegen. Und 
dieser nachdrückliche Hinweis ist im Interesse des Reiches wie dem der Klein- 
staaten selbst sehr gerechtfertigt. Wir hoffen, daß er befolgt werden wird. 
Das Ansehen des Bundesrats, die Autorität, die er sich zu verschaffen 
versteht, halten wir für ein Gemeingut der Nation. Alles, was dies Ansehen 
zu schwächen geeignet ist, betrachten wir mit Abneigung und Mißtrauen, was 
sie stärkt in ihren verfassungsmäßigen Grenzen, mit Befriedigung, und unser 
Wunsch ist, daß die jetzige Krisis der Einrichtung zum dauernden Vorteil ge- 
reichen möge.“ 1) 
Die „Germania“ teilte über die Kanzlerkrise folgende Gerüchte mit, für 
welche sie eine Gewähr indessen nicht übernehmen wollte: „Es wird berichtet, 
1) Auch die „Post“ Nr. 98 v. 10. 4. 80 hielt Schritte im obigen Sinne für not- 
wendig. Einleitend wandte sich das damals sehr gut orientirte Blatt gegen die Ansicht, 
daß eine Abänderung der Reichsverfassung erforderlich werde, oder daß sich überhaupt 
Mängel der Reichsverfassung herausgestellt haben. Jede Verfassung bedürfe des Ausbaus 
durch die Praxis, und im vorliegenden Falle werde dieser Ausbau auf dem Wege der 
Geschäftsordnung erfolgen können. Sie sagte darüber: Von dem Substitutionswesen, welches 
die Geschäftsordnung im Bundesrat zuläßt, ist viel die Rede. Beruht dasselbe auf der 
Verfassung? Im vorletzten Absatz des Artikels 7 beißt es: „Nicht vertretene oder nicht 
instruirte Stimmen werden nicht gezählt.“ Darauf hat man vermöge des argumentum 
e contrario, welches so leicht sophistisch zu benutzen ist, folgendermaßen geschlossen: Wenn 
nicht vertretene Stimmen nicht gezählt werden, so werden vertretene gezählt. Hier ist man 
der Amphibolie des Wortes „vertreten“ zum Opfer gefallen. Der Gesetzgeber hat im 
Artikel 7 unter nicht vertretenen Stimmen verstanden: nicht durch eigene Bevollmächtigte 
vertretene. Aber da eine mittelbare Vertretung denkbar ist, wenn auch nicht durch Artikel 7 
eingeführt, so hat man dieselbe doch aus dem Artikel hergeleitet, indem man annahm, die 
doppelte Art der Nichtvertretung sei ausgeschlossen, die doppelte Art der Vertretung er- 
laubt. Uns scheint: die Substitutionen brauchten nicht verboten zu werden, aber es sollte 
die Bestimmung getroffen werden, daß mit der stellvertretenden Stimmführung nur das 
Präsidium beauftragt werden kann. Auch das Präsidium müßte bei der Stellvertretung 
an die Instruktion des Auftraggebers gebunden sein. Aber mit der Stellvertretung nur 
durch das Präsidium würde doch ein großer Vorteil erreicht. Der Vorteil nämlich, daß 
das Präsidium nicht durch die Bildung einer unerwarteten Majorität überrascht werden 
könnte. Es lassen sich auch noch andere Mittel denken. Zum Beispiel die Vorschrift 
mehrerer Lesungen, wodurch das Präsidium in den Stand gesetzt wird, vor dem ent- 
scheidenden Beschluß alle Mittel der Verständigung aufzubieten u. s. w. Die ergänzende 
Bestimmung für die Führung der Reichsregierung wird nicht schwer zu finden sein. Aber 
unentbehrlich ist sie geworden, nachdem sich herausgestellt hat, daß der Möglichkeit unzu- 
sammenhängender Majoritätsbeschlüsse, welche die Führung der Geschäfte unmöglich machen, 
nicht binreichend vorgebeugt ist.
	        
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