Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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dings Mitglieder des Ausschusses für die Geschäftsordnung waren, zur münd— 
lichen Berichterstattung im Plenum bestellt, der Minister v. Mittnacht und der 
Bevollmächtigte für Braunschweig, v. Liebe. Schon nach Umfluß von wenigen 
Tagen legten dieselben ihre Anträge dem Bundesrat vor. Dieselben schlossen 
sich vollständig den in dem preußischen Antrage entwickelten Gesichtspunkten an. 
Außerdem wurde noch eine Modifikation des § 24 der bisherigen Geschäfts- 
ordnung beantragt, welcher die Geheimhaltung der Verhandlungen in jedem 
Falle von dem besonderen Beschlusse des Bundesrats abhängig machte. Der 
Antrag ging dahin, die mündlichen Verhandlungen des Bundesrats und der 
Ausschüsse in allen Fällen geheim zu behandeln. 1) 
In der Bundesratssitzung vom 22. April, zu welcher auch der Staats- 
minister v. Lutz erschienen war, ) gelangte die von Preußen, d. h. vom Reichs- 
kanzler vorgeschlagene neue Geschäftsordnung mit unwesentlichen Aenderungen 
zur Annahme, und zwar in erster Lesung, also bereits nach der neuen Geschäfts- 
ordnung, da in der bisherigen zwei Lesungen wenigstens nicht ausdrücklich vor- 
gesehen waren. 
In der Bundesratssitzung vom 26. April gelangte die revidirte Geschäfts- 
ordnung zur zweiten Beratung, und wurden die bei der ersten Lesung gefaßten 
1) Die „Nat.-Ztg.“ Nr. 184 v. 20. 4. 80 bemerkte zu dieser letzteren Frage: „Was 
die Geheimhaltung der Bundesratssitzungen anbetrifft, so möchten wir doch dringend anheim- 
geben, nur das Mögliche und von dem Möglichen auch nur das Nötige zu verlangen. 
Wenn die Presse authentische und ausgiebige Nachrichten auf direktem Wege erhält, wird 
sie gern darauf verzichten, dieselben auf Umwegen zu beziehen. Aus welchem Grunde aber 
die Erledigung der gewöhnlichen Routinegeschäfte mit einem Schleier umgeben werden soll, 
ist gar nicht abzusehen. Und wenn bedeutsame Vorgänge sich abgespielt haben, finden die- 
selben ihren Weg in die Oeffentlichkeit. Nach unserer Ansicht läge der wahre Fortschritt 
in der schon wiederholt in Anregung gebrachten Veröffentlichung der Protokolle über die 
Bundesratsverhandlungen. Es könnten die Gegenstände, an deren Geheimhaltung ein 
Reichsinteresse sich knüpft, von der Veröffentlichung ausgeschlossen bleiben. Warum aber 
die Verhandlungen des „Senates“ über Gesetzesvorlagen im Dunkeln bleiben sollen, ist uns 
ganz unverständlich und kann sicher nicht belebend auf die Verhandlungen des Bundesrats 
einwirken. Ja, wir glauben nicht fehlzugehen, wenn wir gerade in jener Geheimhaltung 
der Verhandlungen einen hauptsächlichen Grund für manche der beklagten Uebelstände seben. 
Mit Verschärfung des Geheimhaltens aber wird sicher nichts Gutes gethan, der Bundesrat 
vielmehr in den Charakter einer Instruktionen ablesenden Versammlung immer mehr herein- 
getrieben, das Interesse an dem Inhalt seiner Verhandlungen immer mehr abgetötet. 
Herr v. Mittnacht sieht hierin vielleicht das Ideal, dem er in dieser Beziehung zuzustreben 
hat; uns scheint das Ziel gerade in der umgekehrten Richtung zu liegen.“ 
2) Unterm 17. April wurde von München nach Berlin geschrieben: „Es hat sich unser 
Ministerrat in einer heute abgehaltenen außerordentlichen Sitzung, die von längerer Dauer 
war, ebenfalls mit diesem Gegenstand beschäftigt, und wird wohl anzunehmen sein, daß eine 
fast einstündige Unterredung, welche der Gesandte Preußens Herr Graf v. Werthern 
gestern mit dem Herrn Staatsminister v. Lutz hatte, denselben Gegenstand zum 
Zwecke hatte."“
	        
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