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zu dem bei Feststellung der Verfassung in Aussicht genommenen allmälichen
Eintritt in den Zollverein. Ueber diesen Teil der jetzt diskutirten Frage konnte
die Reichsregierung ohne Beeinträchtigung der verfassungsmäßigen Einrichtungen
des Reichs mit dem Einzelstaat Hamburg in Unterhandlung treten. Der Verzicht
auf einen Freihafen und der Uebergang zu einem Entrepotsystem ist nach Art. 34
von der Entschließung Hamburgs abhängig, kann also einen Gegenstand der
Vereinbarung zwischen der Reichsgewalt und dem Einzelstaate bilden. Die
Legung der Grenzzolllinie aber und der Beschluß darüber, welcher Bezirk dem
Zweck des Freihafens entspricht, sind Gegenstände, welche die Verfassung der
alleinigen Entscheidung des Bundesrats zuweist, und es würde der Beginn der
Wiederauflösung unserer unvollkommen und mühsam errungenen Einheit sein,
wenn das Reich über diese der Kompetenz der Mehrheitsbeschlüsse des Bundes-
rats zugewiesenen Fragen mit Hamburg hätte in Unterhandlung treten wollen.
Schon aus der Anknüpfung solcher Unterhandlungen würde der Hamburger
Senat mit Recht den Schluß gezogen haben, daß auch die Reichsregierung
glaube, der Zustimmung Hamburgs und nicht bloß eines bundesrätlichen Be-
schlusses zu bedürfen. In der Anerkennung dieses Satzes würden wir einfach
zurückgefallen sein in das System des liberum veto zur Zeit des Zollvereins
vor 1866, wo der Widerspruch eines Einzelstaates jede Reform hindern konnte.
Es ist ein verfassungswidriger Anspruch, der in Vertretung Hamburgs in dieser
Beziehung erhoben worden ist, ein Ausbruch des Partikularismus, der in die Zeit
zurückstrebt, wo die deutschen Bundesstaaten einander mit derselben Souveränität
wie Frankreich oder Rußland auf dem Gebiete des europäischen Völkerrechts
gegenüberstanden. Als das liberum veto aus dem Zollbunde schon vor Er-
richtung des Deutschen Reichs verschwand, wurde dies damals als ein großer
Fortschritt auf dem Wege der nationalen Konsolidirung von allen Seiten mit
Freuden begrüßt. Nach kaum zwölf Jahren scheint man anderen Sinnes
geworden zu sein und macht der Reichsregierung Vorwürfe darüber, daß sie
nicht, anstatt die verfassungsmäßigen gemeinsamen Organe anzurufen, mit dem
Einzelstaat vorher verhandelt, um etwa nach mißlichen jahrelangen Versuchen
in dieser Richtung auf die erstrebte Reform zu verzichten. Der Ort, wo allein
mit Hamburg über die vom Bundesrat zu fassenden Beschlüsse verhandelt werden
kann, ist im Schoße des Bundesrats. Wollte die Präsidialmacht den Schwer-
punkt in Separatverhandlungen der Einzelstaaten verlegen, so würde sie damit
ein Beispiel geben, welches bald Nachahmung finden und in die Periode der
Sonderbunde zurückführen würde."“
Hamburgs Gegenantrag. Am 28. April 1880 stellte Hamburg
gegenüber vorstehendem Antrag Preußens folgenden Gegenantrag:
„Der Bundesrat wolle beschließen:
daß die Einverleibung eines Teils der hamburgischen Vorstadt St. Pauli