Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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projektirte Zolllinie würde die volkreichsten Stadtteile von einander trennen; sie 
würde die großen Verkehrsadern gerade an der Stelle durchschneiden, wo diese 
am lebhaftesten pulsiren. Sie ist, wenn überhaupt ausführbar, schwerlich auf 
die Dauer haltbar. Ihre Ausführung würde also gerade diejenigen Mißstände 
herbeiführen, deren Fernhaltung durch die dem Art. 34 gegebene weite Fassung 
unter allen Umständen als gesichert betrachtet werden durfte. Dieselbe würde 
mithin in hohem Grade geeignet sein, die Freihafenstellung Hamburgs zu ge- 
fährden, und deshalb mit der Absicht und dem Zwecke der Verfassungsbestimmung 
in Widerspruch treten. In der That ist, als es sich vor zwölf Jahren um die 
Feststellung desjenigen Bezirks handelte, mit welchem in Gemäßheit des Art. 34 
die Stadt Hamburg vom Zollgebiet ausgeschlossen bleiben soll, die Möglichkeit 
einer Trennung St. Paulis von der Stadt von keiner Seite auch nur an- 
gedeutet worden. Zugleich aber ist der Berechnung des der städtischen Bevölkerung 
auferlegten Zuschlags zum Aversum die Thatsache ohne Widerspruch und als 
eine selbstverständliche zu Grunde gelegt, daß auch die Bevölkerung der Vorstadt 
St. Pauli als städtische zu betrachten sei. — Auf Grund der vorstehenden 
Ausführung erachtet der Senat eine die freie Entschließung Hamburgs be- 
hindernde Anordnung des Bundesrats, wie sie von der Königlich preußischen 
Regierung beantragt wird, für unvereinbar mit dem Art. 34 der Reichsverfassung. 
Er hegt das feste Vertrauen, daß die hohen Bundesregierungen die fragliche 
Verfassungsbestimmung auch gegenwärtig in demselben Sinne auslegen werden, 
in welchem sie ursprünglich beschlossen worden, und daß der Schutz, welchen 
die Reichsverfassung den besonderen Rechten der einzelnen Staaten gewährt, 
auch im vorliegenden Falle nicht werde versagt werden. 
Versmann.“ 
Die Verwerfung des hamburgischen Gegenantrags. Fall 
Rudhart. In der Bundesratssitzung vom 3. Mai 1880 teilte der von 
Bismarck mit dem Vorsitz betraute Staatsminister Hofmann mit, daß er den 
Antrag Hamburgs, betreffend die Einverleibung der Stadt Altona und eines 
Teils der hamburgischen Vorstadt St. Pauli in das Zollgebiet, auf Grund des 
§ 9 der Geschäftsordnung dem mit der Berichterstattung über den ursprüng- 
lichen preußischen Antrag beauftragten III. und IV. Ausschusse vorgelegt habe. 
Demgegenüber beantragte der Bevollmächtigte für Hamburg, den Antrag 
Hamburgs zunächst an den Ausschuß für die Verfassung zu verweisen, auch, 
wenn es für diesen Zweck nach der Geschäftsordnung erforderlich sein sollte, 
den Beschluß vom 22. April wieder aufzuheben. 
Der Staats= und Finanzminister Bitter befürwortete in erster Linie die 
Aufrechterhaltung des Beschlusses vom 22. April und stellte den eventuellen 
Antrag, die Angelegenheit an einen deshalb zu wählenden außerordentlichen 
Ausschuß zu überweisen. 
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. IV. 15
	        
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