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projektirte Zolllinie würde die volkreichsten Stadtteile von einander trennen; sie
würde die großen Verkehrsadern gerade an der Stelle durchschneiden, wo diese
am lebhaftesten pulsiren. Sie ist, wenn überhaupt ausführbar, schwerlich auf
die Dauer haltbar. Ihre Ausführung würde also gerade diejenigen Mißstände
herbeiführen, deren Fernhaltung durch die dem Art. 34 gegebene weite Fassung
unter allen Umständen als gesichert betrachtet werden durfte. Dieselbe würde
mithin in hohem Grade geeignet sein, die Freihafenstellung Hamburgs zu ge-
fährden, und deshalb mit der Absicht und dem Zwecke der Verfassungsbestimmung
in Widerspruch treten. In der That ist, als es sich vor zwölf Jahren um die
Feststellung desjenigen Bezirks handelte, mit welchem in Gemäßheit des Art. 34
die Stadt Hamburg vom Zollgebiet ausgeschlossen bleiben soll, die Möglichkeit
einer Trennung St. Paulis von der Stadt von keiner Seite auch nur an-
gedeutet worden. Zugleich aber ist der Berechnung des der städtischen Bevölkerung
auferlegten Zuschlags zum Aversum die Thatsache ohne Widerspruch und als
eine selbstverständliche zu Grunde gelegt, daß auch die Bevölkerung der Vorstadt
St. Pauli als städtische zu betrachten sei. — Auf Grund der vorstehenden
Ausführung erachtet der Senat eine die freie Entschließung Hamburgs be-
hindernde Anordnung des Bundesrats, wie sie von der Königlich preußischen
Regierung beantragt wird, für unvereinbar mit dem Art. 34 der Reichsverfassung.
Er hegt das feste Vertrauen, daß die hohen Bundesregierungen die fragliche
Verfassungsbestimmung auch gegenwärtig in demselben Sinne auslegen werden,
in welchem sie ursprünglich beschlossen worden, und daß der Schutz, welchen
die Reichsverfassung den besonderen Rechten der einzelnen Staaten gewährt,
auch im vorliegenden Falle nicht werde versagt werden.
Versmann.“
Die Verwerfung des hamburgischen Gegenantrags. Fall
Rudhart. In der Bundesratssitzung vom 3. Mai 1880 teilte der von
Bismarck mit dem Vorsitz betraute Staatsminister Hofmann mit, daß er den
Antrag Hamburgs, betreffend die Einverleibung der Stadt Altona und eines
Teils der hamburgischen Vorstadt St. Pauli in das Zollgebiet, auf Grund des
§ 9 der Geschäftsordnung dem mit der Berichterstattung über den ursprüng-
lichen preußischen Antrag beauftragten III. und IV. Ausschusse vorgelegt habe.
Demgegenüber beantragte der Bevollmächtigte für Hamburg, den Antrag
Hamburgs zunächst an den Ausschuß für die Verfassung zu verweisen, auch,
wenn es für diesen Zweck nach der Geschäftsordnung erforderlich sein sollte,
den Beschluß vom 22. April wieder aufzuheben.
Der Staats= und Finanzminister Bitter befürwortete in erster Linie die
Aufrechterhaltung des Beschlusses vom 22. April und stellte den eventuellen
Antrag, die Angelegenheit an einen deshalb zu wählenden außerordentlichen
Ausschuß zu überweisen.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. IV. 15