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schußsitzung heute ausnahmsweise im Reichsamt des Innern stattfinden werde,
weil der Reichskanzler sich an derselben zu beteiligen wünsche. Die beiden
Herren bestiegen hierauf eine Droschke und fuhren in größter Eile nach dem
Hause Wilhelmstraße 74. Als sie in das Ausschußzimmer eintraten, fanden sie
in demselben eine große Anzahl von Bundesratsbevollmächtigten versammelt,
die auf das Erscheinen Bismarcks warteten. Alle Plätze am grünen Tische
waren bereits besetzt, bis auf einen in der Mitte desselben, und zwar direkt
gegenüber jenem Platze, der für den Reichskanzler bestimmt war, der bald
darauf den Saal betrat. Diesen Platz nahm Versmann ein.
Es ist sehr schade, daß ein Protokoll über jene denkwürdige Bundesrats-
ausschußsitzung nicht geführt wurde; man ist also auf die Erinnerung der
anwesenden Bevollmächtigten angewiesen. Danach war der Verlauf etwa folgender:
Fürst Bismarck erklärte, in keinem Fall zugeben zu wollen, daß die Frage
auf das Gebiet des Verfassungsrechts hinübergespielt werde. An dem von ihm
im Bundesrat eingebrachten Antrage sei eben nur Hamburg schuld, das ihn
durch seine dilatorische Haltung gezwungen habe, die Angelegenheit in der
bekannten Weise anhängig zu machen. Seit einiger Zeit, schon seitdem er durch
seinen Gesundheitszustand gehindert sei, sich persönlich so eingehend wie früher
um alle Dinge zu kümmern, mache sich ein Partikularismus breit, der gefähr-
liche Dimensionen anzunehmen drohe. Habe doch der hamburgische Bevoll-
mächtigte in dieser Angelegenheit den bayerischen Partikularismus zu Hilfe
gerufen. Er (Bismarck) werde in der Verfassungsfrage niemals nachgeben
können. Er fasse die Sache so auf, daß daraus für Preußen eine
Lage entstehen könne wie diejenige, in der es sich im Juni 1866
im Bundestag befand. Er habe seit Jahren den preußischen Angelegen-
heiten zu nahe gestanden, um hier weichen zu können.
In Bezug auf den Art. 34 der Verfassung bemerkte Fürst Bismarck, daß
durch denselben den Hansestädten keineswegs das Recht gegeben werden sollte,
dauernd außerhalb des Zollvereins zu bleiben, wie sich dies aus den früheren
Verhandlungen ergebe. Der Artikel sei vielleicht schlecht stilisirt, aber die Absicht
desselben sei jedenfalls nicht die gewesen, den Hansestädten für immer das Recht
zu geben, außerhalb des Zollvereins zu bleiben. Gewiß habe Hamburg ein verfas-
sungsmäßiges Recht auf einen Freihafen, derselbe könnte aber nie und nimmer in
dem größten Teil seines Gebietes bestehen. Das Freihafengebiet werde sich
vielmehr auf die von Hamburg zu erbauenden Dockanlagen beschränken müssen.
Die Einbeziehung St. Paulis sei vorzugsweise eine Frage der Zolltechnik,
während Hamburg ein Widerspruchsrecht gegen die Einbeziehung Altonas nicht
zustehe. Darum sei er auch gewillt und nicht abgeneigt, die Ausführung des
preußischen Antrages einer Vereinbarung von Zolltechnikern zu überlassen, einer
Spezialkommission, die sich an Ort und Stelle zu begeben hätte, um darüber
Vorschläge entgegenzunehmen.