Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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Altonas und der sonstigen preußischen Gebietsteile aus dem Freihafenbezirk und 
ist zu diesem Verlangen berechtigt, weil die Zugehörigkeit dieser Gebiete zur 
Erfüllung der Zwecke des der Hansestadt Hamburg gewährleisteten Freihafens 
nicht erforderlich ist. Ueber die Berechtigung dieses Anspruchs Seiner Majestät 
des Königs, meines Allergnädigsten Herrn, ist bisher im Bundesrat eine 
Meinungsverschiedenheit nicht ausgesprochen, im Gegenteil die allseitige Ueber- 
einstimmung kundgegeben worden. Wenn nun durch das Ausscheiden der 
preußischen Gebietsteile aus dem Freihafenbezirk die unabweisliche Notwendigkeit 
einer neuen Begrenzung des letzteren eintritt, so wird der Bundesrat sich der 
Pflicht nicht entziehen können, nach Art. 7 Abs. 2 der Reichsverfassung, welcher 
in diese aus den Traditionen des Zollvereins entnommen ist, Beschluß zu fassen. 
Der preußische Antrag spricht vom technischen Standpunkt die Meinung aus, 
daß die künftige Zollgrenze auf dem Heiligengeistfeld zwischen Hamburg und 
St. Pauli zweckmäßiger liegen würde als auf der preußischen Landesgrenze. 
Wenn die preußische Verwaltung bei Gelegenheit ihres prinzipalen Antrags auf 
Ausscheidung des preußischen Gebiets aus dem Freihafenbezirk dieser zolltechnischen 
Ansicht Ausdruck gegeben hat, so ist sie dabei von preußischen Interessen nicht 
geleitet worden; die letzteren machen im Gegenteil, im Sonderinteresse der Stadt 
Altona, das Verbleiben St. Paulis außerhalb des Zollvereins wünschenswert. 
Nur das Pflichtgefühl, mit welchem die Regierung meines Allergnädigsten Herrn 
die Reichs-Zollinteressen wahrnimmt, hat sie veranlaßt, mehr im Interesse der 
Stadt Hamburg und Vorstadt St. Pauli als in dem der Stadt Altona, jene 
Zolllinie über das Heiligegeistfeld dem Bundesrat vorzuschlagen, welcher über 
dasselbe zu beschließen haben wird. Es ist nicht schwierig, einen solchen Beschluß 
zu treffen, ohne die Frage über die Interpretation der Verfassung bis zum 
Konflikt zu schärfen. Diejenigen Regierungen, welche glauben, daß durch Ab- 
trennung der Vorstadt St. Pauli vom Freihafengebiet ein Verfassungsrecht 
verletzt oder auch nur berührt werde, werden gegen diese Linie stimmen können, 
und die Zollgrenze wird, wenn sie die Majorität bilden, dann mit der Landes- 
grenze des preußischen und Hamburger Gebiets zusammenfallen. Sollte aber 
eine nach preußischer Ansicht unrichtige Auslegung der Reichsverfassung zur 
Begründung der Vota aufgestellt werden, so wird es auch für Preußen not- 
wendig sein, die nach diesseitiger Ansicht richtige Auslegung der Verfassung 
demgegenüber zu vertreten, und kann ich meinem Allergnädigsten Herrn in 
diesem Falle in Seiner Eigenschaft als Deutscher Kaiser zu einem Verzicht auf 
zweifellose Aufrechthaltung der Verfassung nicht raten. Ich würde, ungern aber 
notwendig, aus solchen Vorgängen die Ueberzeugung entnehmen, daß mein 
bisheriges Bestreben, Verfassungsstreitigkeiten zu vermeiden, sich nicht durchführen 
läßt, und die Erkenntnis, daß die Entstehung solcher Streitigkeiten, wenn sie 
nicht mit Sorgfalt verhütet wird, bei den meisten wichtigen Fragen möglich ist, 
würde schwerlich lange auf sich warten lassen. Ich darf nur an die geschicht-
	        
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