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land gefärbten und bedruckten Gewebe durchgeführt worden, ein angemessener
Veredlungszoll einzuheben sein werde. In der Zwischenzeit ist die Frage, in—
wieweit die Veredlung deutscher Waren in Oesterreich dem deutschen Verkehr
förderlich sei, zum Gegenstande eingehender Erörterungen gemacht worden, welche
zu der Ueberzeugung geführt haben, daß der Veredlungsverkehr, insoweit er sich
auf das Färben, Walken, Appretiren und Bedrucken deutscher Garne und Ge—
webe in Oesterreich erstreckt, abgesehen von einigen vorübergehenden Zugeständ-
nissen, welche zur Erhaltung langjähriger Geschäftsverbindungen nicht werden
vorenthalten werden können, ganz entbehrt werden kann, daß es dagegen beim
Mangel ausreichender Rasenbleichen auf deutschem Gebiete unbedingt im Be-
dürfnisse liegt, auch fernerhin bis auf weiteres die zollfreie Wiedereinfuhr solcher
Garne und Gewebe zu gestatten, welche lediglich zum Zwecke des Bleichens nach
Oesterreich ausgeführt worden sind. Schwieriger gestaltet sich die Beantwortung
jener Frage in Bezug auf denjenigen Verkehr, welcher auf die Herstellung von
Geweben, Spitzen und Posamentirwaren aus deutschen Garnen sowie auf das
Besticken (einschließlich des Tambourirens) deutscher Gewebe in Oesterreich ge-
richtet ist. Daß die deutschen Fabrikanten hauptsächlich durch die billigeren
Arbeitslöhne in Oesterreich bewogen worden sind, dortige Arbeitskräfte zur Her-
stellung ihrer Fabrikate heranzuziehen, läßt sich nach den angestellten Erörterungen
nicht bezweifeln. In diesen billigeren Löhnen wird ein ausreichender Anlaß,
die Veredlung deutscher Waren in Oesterreich noch fernerhin unter den zeit-
herigen Bedingungen zuzulassen, nicht gefunden werden können. Denn nachdem
die deutschen Fabrikanten durch die Erhöhung der Eingangszölle vor der aus-
ländischen Konkurrenz auf dem deutschen Markte geschützt worden sind, werden
sich dieselben nicht für beschwert erachten können, wenn nunmehr auch den
deutschen Arbeitern, deren Löhne namentlich in den in der Nähe der Grenze
gelegenen Bezirken durch die Konkurrenz der österreichischen Arbeiter vielfach bis
auf ein kaum auskömmliches Maß herabgedrückt worden sind, der gleiche Schutz
gewährt wird. Auf der andern Seite darf aber nicht verkannt werden, daß
bei lebhafterem Geschäftsverkehr nicht immer ausreichende deutsche Arbeitskräfte
vorhanden sind, sowie daß es den österreichischen Arbeitern infolge der seit-
herigen Verhältnisse gelungen ist, sich auf einigen Gebieten eine größere Gewandt-
heit anzueignen, als die deutschen Arbeiter augenblicklich besitzen. Inwieweit
hiernach die Veredlung deutscher Waren in Oesterreich für den deutschen Verkehr
notwendig oder nützlich ist, würde zwar an und für sich von Fall zu Fall ent-
schieden werden können. Eine derartige Entscheidung setzt jedoch, falls sie Ge-
währ vor jeder Benachteiligung des deutschen Verkehrs bieten soll, bei den sich
vielfach widerstreitenden Interessen der beteiligten Industriekreise nicht nur sehr
umfängliche, sondern auch so aufhältliche Erhebungen voraus, daß sie oft nicht
so schnell getroffen werden kann, als dies, um den deutschen Fabrikanten die
volle Ausnutzung günstiger Geschäftskonjunkturen zu ermöglichen, wünschenswert