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führung des aus den Beratungen deutscher Staats= und Privatbahnen hervor-
gegangenen einheitlichen Tarifsystems legte der Reichskanzler im September 18791)
dem Bundesrat in einer Zusammenstellung unter Wiederaufnahme der früheren
Uebersicht die Fortschritte seit jener Zeit und den gegenwärtigen Stand der An—
gelegenheit dar. Es ging daraus hervor, daß die Lokaltarife der damals
in Deutschland bestehenden 63 Eisenbahnverwaltungen bis auf den Lokaltarif
der Georgs-Marienhütte-Hasberger Eisenbahn, welche den bisherigen Güter—
tarif beizubehalten beabsichtigte, nunmehr sämtlich auf Grundlage des Reform-
systems aufgestellt waren. Auch die Reform der Tarife im Verbands= und
direkten Verkehr zwischen deutschen Bahnen hatte seit Vorlage der letzten Ueber-
sicht so erhebliche Fortschritte gemacht, daß dieselbe als nahezu abgeschlossen zu
betrachten war. Von den zur Zeit bestehenden 184 Verbandstarifen (gegen
301 im vorigen Jahre) waren 172 auf der Grundlage des Reformsystems auf-
gestellt. Von den bestehenden 351 Spezialtarifen entsprachen 345 dem
Reformsystem. Bis zu welchem Zeitpunkte die Reform des Verkehrs mit
dem Auslande zum Abschluß gelangen werde, ließ sich mit Sicherheit noch
nicht übersehen. Zur Zeit bestanden 199 allgemeine Tarife mit dem Aus-
lande (gegen 219 im vorigen Jahre) und außerdem 314 Spezialtarife für
einzelne Artikel.
Desinfektion aus Belgien zurückkehrender Eisenbahn-
wagen. In Gemäßheit des § 2 des Gesetzes, betreffend die Beseitigung von
Ansteckungsstoffen bei Viehbeförderungen auf Eisenbahnen, vom 25. Februar
1876 wurden die zu Viehsendungen nach Belgien benutzten und daselbst ent-
ladenen Eisenbahnwagen nach ihrer Rückkehr auf den deutschen Eisenbahnen,
gegen Erhebung einer Gebühr, vorschriftsmäßig desinfizirt. Von der Reichs-
Eisenbahn-Verwaltung wurde geltend gemacht, daß schon in Belgien eine Des-
infektion der betreffenden Wagen alsbald nach der Entladung derselben auf
Grund der für die belgischen Bahnen erlassenen Vorschriften gegen Erhebung
einer Gebühr stattfinde. Die Sendungen würden daher gegenwärtig zum Nach-
teil des Verkehrs doppelt mit Desinfektionskosten belastet; außerdem erwachse
auch für den Eisenbahnbetrieb eine Erschwerung sowie ein wirtschaftlicher
Schaden insofern, als die Wagen jetzt behufs ihrer Desinfizirung im unbe-
ladenen Zustande auf den Grenzstationen zurückgegeben würden und auf dem
Rückwege zur Beförderung von Gütern nicht benutzt werden könnten. Es
wurde daher von dem Reichskanzler in einer Vorlage an den Bundesrat vom
23. September 18792) empfohlen, die deutschen Eisenbahnverwaltungen von
der Verpflichtung der nochmaligen Desinfizirung der in Rede stehenden Eisen-
1) In Kohls Bismarck-Regesten übersehen.
2) In Kohls Bismarck--Regesten nicht erwähnt.