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wägung nicht verschließen, daß bei der Dringlichkeit der Aufgabe, die Reichs—
einnahmen zu vermehren, nicht alle in Betracht kommenden Steuern wegen
Bedenken gegen ihre Modalitäten zurückgewiesen werden können, indem sonst
auf diesem Wege die Möglichkeit der Vermehrung der Einnahmen überhaupt
verschwindet. Die Ausschüsse drücken sich in ihrem Bericht allerdings so aus,
daß die finanzielle Lage jetzt nicht derart sei, die Einführung einer neuen und
lästigen Steuer zu rechtfertigen. Dabei wird aber der große Zweck der Steuer—
reform übersehen, die Einzelstaaten durch Ueberschüsse aus den Reichseinnahmen
in den Stand zu setzen, die unerträglichen direkten Personalsteuern, welche teils
vom Staat, teils von den Gemeinden erhoben werden, zu beseitigen oder
wenigstens zu vermindern."
In der Sitzung vom 3. April 1880 (Referent Wirkl. Geheimer Rat v. Liebe)
genehmigte der Bundesrat die Reichsstempelvorlage des Reichskanzlers, stellte
die Quittungssteuer gegen die Ausschußanträge wieder her, nahm jedoch nach
dem Antrage Bayerns einen Einheitssatz von 10 Pfg. für alle Quittungen an,
ausgenommen solche unter 20 Mk., welche steuerfrei bleiben, und statuirte
überdies eine lange Reihe von Ausnahmen von der Stempelpflicht, namentlich
auch für Postanweisungs= und Postvorschußquittungen. Die letztere wurde von
Württemberg beantragt, von Präsident Hofmann und dem preußischen Finanz-
minister Bitter bekämpft, dagegen von zwei Vertretern des Reichs-Postamts
(Direktor im Reichs-Postamt Dr. Fischer und Geheimer Postrat Schaum) lebhaft
unterstützt und zuletzt mit 30 Stimmen, welche nur 7½ Millionen der
Bevölkerung repräsentirten, gegen 28 Stimmen, die eine Bevölkerung von
mehr als 30 Millionen vertraten (worunter Preußen, Bayern, Sachsen
und Waldeck), angenommen. 1) Die Annahme des Gesetzentwurfs erfolgte
mit obigen Aenderungen schließlich mit allen gegen die Stimmen der drei
Hansestädte.
Für die Annahme eines einheitlichen Steuersatzes von 10 Pf. gelangten
die schon früher hervorgehobenen Motive zur Geltung, daß bei einer so tief in
alle Verkehrsverhältnisse eingreifenden und alle Volksklassen berührenden Steuer
nur ein ganz einfacher Satz passe, und Unterscheidungen nach dem Betrage nur
dazu führen müßten, daß man sich vielfach keine Quittungen geben lasse oder
zu anderen Umgehungen greife. 2)
1) Vergl. § 221 der Protokolle von 1880 in der a. a. O. citirten Ouelle.
2) Die „Nat.-Ztg.“ Nr. 162 v. 17. 4. 80 wußte über die Geschichte dieser ominösen
Abstimmung Folgendes zu berichten: „Man erinnert sich, daß in den Ausschüssen des
Bundesrats mit, soviel wir wissen, vier gegen drei Stimmen die Quittungssteuer überhaupt
abgelehnt wurde; eventuell wurde beschlossen, einige wesentliche Modifikationen für die
Normirung der Quittungssteuer dem Plenum des Bundesrats vorzuschlagen. Bei der
Abstimmung im Plenum, wo allerdings die Stimmen diesmal mehr gezählt als gewogen
wurden, entwickelte der preußische Finanzminister sehr objektiv die Gründe für die Wieder-
herstellung der Vorlage. Der Vertreter des Reichsschatz-Amts sprach sich namentlich für