Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

— 265 — 
wägung nicht verschließen, daß bei der Dringlichkeit der Aufgabe, die Reichs— 
einnahmen zu vermehren, nicht alle in Betracht kommenden Steuern wegen 
Bedenken gegen ihre Modalitäten zurückgewiesen werden können, indem sonst 
auf diesem Wege die Möglichkeit der Vermehrung der Einnahmen überhaupt 
verschwindet. Die Ausschüsse drücken sich in ihrem Bericht allerdings so aus, 
daß die finanzielle Lage jetzt nicht derart sei, die Einführung einer neuen und 
lästigen Steuer zu rechtfertigen. Dabei wird aber der große Zweck der Steuer— 
reform übersehen, die Einzelstaaten durch Ueberschüsse aus den Reichseinnahmen 
in den Stand zu setzen, die unerträglichen direkten Personalsteuern, welche teils 
vom Staat, teils von den Gemeinden erhoben werden, zu beseitigen oder 
wenigstens zu vermindern." 
In der Sitzung vom 3. April 1880 (Referent Wirkl. Geheimer Rat v. Liebe) 
genehmigte der Bundesrat die Reichsstempelvorlage des Reichskanzlers, stellte 
die Quittungssteuer gegen die Ausschußanträge wieder her, nahm jedoch nach 
dem Antrage Bayerns einen Einheitssatz von 10 Pfg. für alle Quittungen an, 
ausgenommen solche unter 20 Mk., welche steuerfrei bleiben, und statuirte 
überdies eine lange Reihe von Ausnahmen von der Stempelpflicht, namentlich 
auch für Postanweisungs= und Postvorschußquittungen. Die letztere wurde von 
Württemberg beantragt, von Präsident Hofmann und dem preußischen Finanz- 
minister Bitter bekämpft, dagegen von zwei Vertretern des Reichs-Postamts 
(Direktor im Reichs-Postamt Dr. Fischer und Geheimer Postrat Schaum) lebhaft 
unterstützt und zuletzt mit 30 Stimmen, welche nur 7½ Millionen der 
Bevölkerung repräsentirten, gegen 28 Stimmen, die eine Bevölkerung von 
mehr als 30 Millionen vertraten (worunter Preußen, Bayern, Sachsen 
und Waldeck), angenommen. 1) Die Annahme des Gesetzentwurfs erfolgte 
mit obigen Aenderungen schließlich mit allen gegen die Stimmen der drei 
Hansestädte. 
Für die Annahme eines einheitlichen Steuersatzes von 10 Pf. gelangten 
die schon früher hervorgehobenen Motive zur Geltung, daß bei einer so tief in 
alle Verkehrsverhältnisse eingreifenden und alle Volksklassen berührenden Steuer 
nur ein ganz einfacher Satz passe, und Unterscheidungen nach dem Betrage nur 
dazu führen müßten, daß man sich vielfach keine Quittungen geben lasse oder 
zu anderen Umgehungen greife. 2) 
  
  
1) Vergl. § 221 der Protokolle von 1880 in der a. a. O. citirten Ouelle. 
2) Die „Nat.-Ztg.“ Nr. 162 v. 17. 4. 80 wußte über die Geschichte dieser ominösen 
Abstimmung Folgendes zu berichten: „Man erinnert sich, daß in den Ausschüssen des 
Bundesrats mit, soviel wir wissen, vier gegen drei Stimmen die Quittungssteuer überhaupt 
abgelehnt wurde; eventuell wurde beschlossen, einige wesentliche Modifikationen für die 
Normirung der Quittungssteuer dem Plenum des Bundesrats vorzuschlagen. Bei der 
Abstimmung im Plenum, wo allerdings die Stimmen diesmal mehr gezählt als gewogen 
wurden, entwickelte der preußische Finanzminister sehr objektiv die Gründe für die Wieder- 
herstellung der Vorlage. Der Vertreter des Reichsschatz-Amts sprach sich namentlich für
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.