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Mit Bezug auf § 7 der durch die Beschlüsse des Bundesrats des Zoll-
vereins vom 23. Mai 1870 (§ 41 Ziff. II. der Protokolle) und des Bundes-
rats des Deutschen Reichs vom 7. Dezember 1871 (§8 643 Ziff. I. der Proto-
kolle) genehmigten „Allgemeinen Bestimmungen in Betreff der Volkszählungen
im Deutschen Reich", wonach von dem Bundesrat für jede einzelne Zählung
vor dem 1. Juni des Zählungsjahrs die Individualangaben, welche die Zählungs-
listen enthalten sollen, festzustellen sind, beehre ich mich dem Bundesrat die
Beschlußnahme in der Sache ganz ergebenst anheim zustellen.
Der Reichskanzler
v. Bismarck.“
In der Sitzung des Bundesrats vom 29. Mai 1880 wurde zunächst
erörtert, ob mit der Volkszählung verbunden werden solle:
1. eine Zählung der Bevölkerung auf den in ausländischen Häfen befind-
lichen deutschen Seeschiffen;
2. eine Ermittlung der bewohnten und der zu Wohnzwecken bestimmten,
im Bau vollendeten unbewohnten Gebäude;
3. eine Ermittlung der von den einzelnen Haushaltungen landwirtschaftlich
benutzten Flächen und
4. eine Viehzählung. Die Frage wurde allseitig verneint. Darauf wurde
die Vorlage mit einigen unwesentlichen Modifikationen angenommen. 1)
13. Rüchblick.
Von allen Sessionen des Bundesrats nahm keine einen so stürmischen
Verlauf wie die neunte. Bereits hatte man sich daran gewöhnt, im Bundesrat
eine harmlose Abstimmungsmaschine zu erblicken, als plötzlich Bismarck demselben
zum Bewußtsein brachte, daß er allmälich auf falsche Bahnen geraten und daß
es an der Zeit sei, eine dort eingetretene Disziplinlosigkeit zu beseitigen. War
es doch am 3. April 1880, zum erstenmal seit dem Bestehen des Bundesrats,
vorgekommen, daß Vertreter eines und desselben Staates im Widerspruch mit
Artikel 6 der Reichsverfassung divergirende Ansichten vorbrachten. Außerdem war
es infolge des Umstandes, daß vierzehn Regierungen durch Substitutionen vertreten
waren, ermöglicht worden, daß Preußen, Bayern und Sachsen in einer ziemlich
wichtigen Frage (Quittungsstempel für Postanweisungen und Postvorschuß-
sendungen) überstimmt wurden. Infolge dieses Vorganges reichte Bismarck seine
Entlassung ein, die aber vom Kaiser nicht angenommen wurde, worauf der
Bundesrat seine Geschäftsordnung im Sinne der kanzlerischen Vorschläge
1) § 396 der Prot. in der S. 24 Note 2 citirten Quelle.