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Im übrigen kam die Nachricht von der Uebersiedlung Hofmanns nach
Straßburg für die Außenstehenden ebenso überraschend, wie seinerzeit jene
von dem Abgang Delbrücks.
Ich bemerkte: für Außenstehende, denn den Eingeweihten war
es schon längst kein Geheimnis, daß Hofmanns Stellung im Reichsamt des
Innern eine unhaltbare geworden war. Bei dem Amtsantritt Hofmanns
mochte man glauben, daß der Abgang des Major domus Delbrück für Bismarck
eine Erleichterung bedeute. In Sachen der Eisenzölle, die nach Delbrücks
Abgang der springende Punkt waren, stand Hofmann der Bismarckschen Auf-
fassung wohl auch seiner Ueberzeugung nach nahe; auch in dem weiteren Stadium
der Zolltarifreform führte Hofmann Bismarck die Feder, und ebenso war er
im Reichstag sein Sprachrohr.
Wiewohl Hofmann bis Juli 1879 die Reichsfinanzen in dem bis dahin
noch vereinigten Reichskanzler-Amt leitete, so trifft ihn doch auch an der un-
fruchtbaren Entwicklung der Reichssteuern keine Schuld. In seinem Amte
standen ihm die Kräfte, um Finanzpläne auszuarbeiten, nicht zur Verfügung,
und Bismarck verlangte dies auch nicht von ihm; nach Delbrücks Abgang hatte
er erklärt, „in finanziellen Dingen fortan zur Fahne des preußischen Finanz-
ministers halten zu wollen“.
Das Ministerium für Handel und Gewerbe ließ Bismarck vom 1. April 1879
ab durch den Staatsminister Hofmann verwalten, indem er sich von einer
zwischen dem Reichskanzler-Amt und dem preußischen Handelsministerium her-
gestellten Personalunion eine Erleichterung, Vereinfachung und kräftigere För-
derung der Reichsverwaltung versprach. In dieser Hinsicht täuschte sich aber
der Kanzler; mehr und mehr bekam derselbe Beweise dafür in die Hände, daß
Hofmann überhaupt eine ganz andere Politik verfolgte als Fürst Bismarck,
namentlich diejenige, die sich später in den Arbeiterschutzgesetzen und der
Sonntagsruhe verkörpert hat. 1) In seiner unabhängigen Stellung als preußischer
Handelsminister hat Herr Hofmann öfters Initiativen genommen, die Fürst
Bismarck nicht billigen konnte, und bei dem beiderseitigen Beharren auf den
unverträglichen Standpunkten war der Bruch#?# schließlich unvermeidlich.,)
Bismarck soll einmal gesagt haben: „Lieber doch noch einen preußischen
Geheimrat als einen hessischen.“ Es kam so weit, daß Hofmann die persfön-
1) Vgl. einen in der „Voss. Ztg.“ Nr. 12 v. 8. 1. 96 abgedruckten, „Aus der Ver-
gangenheit“ betitelten Artikel der „Hamburger Nachrichten“, veranlaßt durch einen von
mir in der „Deutschen Revue“ verfaßten Artikel: „Fürst Bismarck und seine Mitarbeiter
auf dem Gebiete der inneren Politik.“
2) Vgl. Kohls Bismarckreden Bd. VII S. 327.
3) Ein Schreiben des Staatsministers Hofmann an den früheren Minister Freiherrn
v. Varnbüler d. d. 31. Dezember 1879, welches sich mit der Ansicht Bismarcks gleichfalls
nicht deckte, findet sich abgedruckt in meinem Werke: „Fürst Bismarck und die Parla-
mentarier“ Bd. III S. 4.