Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

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dies natürlich nur in Verbindung mit Berufsgenossen und unter juristischer 
Beihilfe ausführen könne, jedoch bemüht sein würde, innerhalb sechs Wochen 
den Gesetzentwurf zu liefern, was auch geschehen ist. 1) 
Mitte November 1880 lagen Bismarck in Friedrichsruh zwei Gesetzentwürfe 
über die Arbeiterversicherung vor, ein im preußischen Handelsministerium (Bis- 
marck der Leiter desselben) und ein von Kommerzienrat Baare ausgearbeiteter. 
Bismarck sprach nun den ausdrücklichen Wunsch aus, daß zur Fortführung des 
Werkes niemand weiter zuzuziehen sei als der bisherige Dezernent des Handels- 
ministeriums, Geheimrat Lohmann. Der Lohmannsche Entwurf wurde dem- 
nächst im Sinne der von Bismarck gegebenen Direktiven einer Umarbeitung 
unterzogen und nächstdem dem Fürsten Bismarck wieder unterbreitet. 2) Der Ent- 
wurf wanderte nunmehr an das preußische Ministerium, an die Ministerien der 
größeren deutschen Bundesstaaten und an den Volkswirtschaftsrat; zu den Be- 
schlüssen des letzteren nahm Bismarck in einem ausführlichen Staatsministerial- 
votum Stellung. 3) 
Von da ging der Entwurf an den Bundesrat und Reichstag, welch letzterer 
den Entwurf durch Verweigerung des Staatszuschusses Bismarck unannehmbar 
machte. In allen diesen Stadien leitete Bismarck den Gang der Verhandlungen 
selbst. v. Boetticher trat erst bei der Beratung des Entwurfs im Reichstag 
aus dem Hintergrunde hervor. Er sprach bei dieser Gelegenheit im ganzen 
siebenmal, der Geheimrat Lohmann elfmal. 
Seit 1881 finden wir unter den Mitarbeitern an dem großen sozialen Werke 
noch den damaligen Direktor, jetzigen Kultusminister Bosse. Bosse wurde mit 
der Bildung der sogenannten wirtschaftlichen Abteilung im Reichsamt des Innern 
betraut und hat, solange er diesem Amte angehörte, auf die Gestaltung der 
Arbeiterversicherung einen großen Einfluß geübt. Als feiner Jurist hat er sich 
besonders um die Formulirung der gesetzgeberischen Gedanken große Verdienste 
erworben. Er übte sein Amt mit großer Gewissenhaftigkeit. 
Auch der zweite Unfallversicherungsgesetzentwurf kann als das Werk des 
inzwischen aus dem Handelsministerium in das Reichsamt des Innern über- 
getretenen Geheimrats Lohmann bezeichnet werden, mit dem Bismarck ebenso 
wie Boetticher alle Einzelheiten besprachen. Die Hauptarbeit hatte nächst dem 
Referenten der Direktor Bosse. 
Zu dem zweiten Unfallversicherungsgesetzentwurf sprachen im Reichstag 
1) Die Art, wie sich Baare die Lösung dachte, findet sich in meinem: Werke: „Fürst 
Bismarck als Volkswirt“ Bd. II. S. 3, Note 1 ausgeführt. 
2) Aktenstücke Bd. II. S. 26. 
3) Abgedruckt in dem von mir herausgegebenen „Bismarck-Portefeuille“ Bd. I S. 277 
Vergl. auch a. a. O. S. 25 Bismarcks Schreiben an einen deutschen Fürsten, betr. den 
ersten Entwurf eines Unfallversicherungsgesetzes, d. d. Friedrichsruh, 21 Dezember 1880. 
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. IV. 20
	        
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