Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Vierter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1878-1881). (4)

— 313 — 
Wenn ich die Aufgabe hätte, das Verdienst um die Arbeiterversicherung 
in einer Skala deutlich zu machen 1), so würde ich 
oben anstellen 
Bismarck, den Vater der ganzen Schöpfung, und 
Boetticher, seinen ersten Mitarbeiter, 
auf die zweite Stufe 
Lohmann, den Ausarbeiter des Krankenkassengesetzes und der beiden ersten Un- 
fallversicherungsentwürfe, 
Bosse, Gamp und Bödiker, die Adoptivväter der beiden Lohmannschen Ent- 
würfe, Bödiker auch wegen der gelungenen Durchführung aller Gesetze 
in seiner Eigenschaft als langjähriger Präsident des Reichs-Versicherungs- 
amts; endlich v. Woedtke, welcher die Novellen zum Unfallversicherungs- 
vorgesetz ausarbeitete und sich mit v. Boetticher und Bosse in die Arbeit um 
die Invaliditäts= und Altersversorgung geteilt hat. 
9. Stellung zur Arbeiterschutzfrage und zum Sozialistengesetz. 
v. Boettichers Stellung zu derselben erhellt aus seinen Reichstagsreden 
vom 3. Dezember 1885, 17. und 20. Juni 1888, 23. Juni 1889 und 14. und 
15. November 1889. Diese Reden geben aber, nach späteren Bekenntnissen 
desselben, mehr die Ansicht Bismarcks wieder, er sei für seine Person schon 
längst ein Freund des Arbeiterschutzes gewesen und habe auch den Kanzler dafür, 
leider vergeblich, zu gewinnen gesucht. 
Auch die Frage, wie sich die Regierung taktisch gegenüber dem Wunsch 
der Reichstagsmehrheit, das Sozialistengesetz nur ohne die Ausweisungsbefugnis 
anzunehmen, stellen sollte, wuchs sich zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen 
Bismarck und Boetticher aus. Der Reichskanzler war geneigt, das Gesetz auch 
ohne den Ausweisungsparagraphen anzunehmen, sobald durch Reichstags-Plenar- 
beschluß festgestellt sein würde, daß die Regierungen ihre volle Vorlage nicht 
zur Annahme bringen konnten. Bismarck glaubte, daß auch ein geringeres 
Ergebnis als die Vorlage, solange es in der Richtung der letzteren läge, nicht 
abzulehnen sei, sobald rechtlich feststände, daß ein majus nicht zu erreichen sei. 
Er war aber dagegen, in der letzten Stunde vor dem Reichstagsschluß die 
Flagge, welche die Regierung mit ihrer Vorlage aufgezogen hatte, vor 
Kommissionsverhandlungen ohne Plenarbeschluß zu streichen. Herr v. Boetticher 
stimmte dafür, die Regieruug solle aus eigener Initiative die mit ihrer Unter- 
1) Ich abstrahire hier von den Parlamentariern, welche sich um das Zustandekommen 
dieses Teils der Gesetzgebung Verdienste erworben haben. Dasselbe gilt von den Bevoll- 
mächtigten zum Bundesrat. Am hervorragendsten beteiligte sich bei den Bundesratsarbeiten 
über die Arbeiterversicherungsgesetzgebung der jetzige bayerische Ministerialdirektor v. Herrmann 
und der jetzige deutsche Botschafter und damalige badische Gesandte Freiherr v. Marschall.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.