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Der Entwurf stellte die fakultative Innung als die Grundlage der
gesetzgeberischen Reform auf und hatte die Resolution des Reichstags vom
5. Mai 1880 zum Ausgangspunkt genommen.
An die Stelle der §§ 97—104 der Gewerbeordnung, welche über die „neuen
Innungen“ nur einige wenige selbständige Vorschriften enthielten, im wesentlichen
aber auf die über die bestehenden Innungen erlassenen Vorschriften verwiesen,
sollte eine Reihe neuer Bestimmungen treten, durch welche das künftige Recht der
neuen Innungen erschöpfend und im übersichtlichen Zusammenhange geregelt würde.
Dadurch wurde zugleich zum Ausdruck gebracht, daß die neuere Gesetzgebung nicht
vorwiegend die schonende Aufrechterhaltung bestehender, zum größten Teil bedeu-
tungslos gewordener Bildungen bezweckte, sondern eine neue beziehungsweise
erneuerte, im öffentlichen Interesse zu pflegende Organisation anbahnen wollte.
Der Bundesrat nahm in der Sitzung vom 5. März 1881 nur an einigen
Stellen wichtige Aenderungen an der Regierungsvorlage und den Beschlüssen
des Ausschusses des Volkswirtschaftsrats vor, von denen wir die wichtigsten
im folgenden hervorheben: Zum § 100 wurde folgender Zusatz beschlossen:
„Die Rechte der Innungesmitglieder mit Ausnahme des Stimmrechts und der
Ehrenrechte können von den Witwen, welche den Gewerbebetrieb fortführen,
so lange ausgeübt werden, als sie die entsprechenden Verpflichtungen erfüllen."
In § 100 d wurde der Nr. 3 folgende Fassung gegeben: „Die Entscheidungen
der Schiedsgerichte in Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, deren
Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 50 Mark nicht über-
steigt, sind endgiltig. Gegen andere Entscheidungen der Schiedsgerichte steht
nach Maßgabe des § 120 à Absatz 2 die Berufung auf den Rechtsweg offen.
Soweit die Berufung auf den Rechtsweg offen steht, sind die auf Grund der
Bestimmungen in §§ 97 Nr. 4 und 97a Nr. 6 ergehenden Entscheidungen
und Streitigkeiten der Innungsmitglieder mit ihren Gesellen und Lehrlingen
vorläufig vollstrechbar. Die Vollstreckung erfolgt durch die Polizeibehörde nach
Maßgabe der Vorschriften über die gerichtliche Zwangsvollstreckung. Die Lehr-
linge sind auf Antrag der zur Entscheidung berufenen Innungsbehörde von der
Polizeibehörde anzuhalten, vor der ersteren persönlich zu erscheinen.“ Zusatz zu
§ 100e Nr. 2;: „Haben sich die Lehrlinge solcher Gewerbetreibenden, welche
der Innung nicht angehören, einer Prüfung zu unterziehen, so ist dieselbe in
einer Kommission vorzunehmen, deren Mitglieder zur Hälfte von der Innung,
zur Hälfte von der Aufsichtsbehörde berufen werden.“ § 102 Abs. 2: „Die
Errichtung des Innungsausschusses erfolgt durch ein Statut, das von den
Innungsversammlungen der beteiligten Innungen zu beschließen ist. Das Statut
bedarf der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. In dem die Ge-
nehmigung versagenden Bescheide sind die Gründe anzugeben. Gegen die Ver-
sagung kann binnen vier Wochen Beschwerde an die Zentralbehörde eingelegt
werden.“ § 104e: „Versammlungen des Verbandsvorstandes und der Ver-